Das verlorene Land
Entscheidungsebene. Vieles von dem, was sie uns erzählen, gehört mehr in die Kategorie Gerüchte. Aber diese Gerüchte passen ziemlich gut zusammen. Klingen
alle gleich. Das bedeutet, dass es da einen Anführer gibt, dem es gelungen ist, sie zur Zusammenarbeit zu bewegen, jedenfalls die meisten von ihnen. Ganz offensichtlich haben sich die osteuropäischen Banden ihnen nicht angeschlossen. Die warten anscheinend ab, was passiert.«
Kipper trat näher an das Handy. Auf einmal hatte er das Gefühl, die Sicherheit dieses Anrufs doch ernster nehmen zu müssen.
Kinninmores Stimme verschwand im statischen Rauschen.
»Entschuldigung, Colonel«, sagte Culver. »Können Sie das wiederholen? Die Verbindung ist schlecht.«
Als Kinninmore wieder zu hören war, kam es Kipper so vor, als könnte er im Hintergrund Gewehrfeuer und sogar Explosionen hören.
»Einige der Gefangenen haben uns mitgeteilt, dass die Neuankömmlinge sich selbst als Fedajin bezeichnen. Offenbar gibt es vier oder fünf Gruppen, die man an den verschiedenen Farben ihrer Schals auseinanderhalten kann. In der Regel sprechen sie Arabisch, aber das tun die meisten der nordafrikanischen Piraten auch. Sie sind sehr gläubig und lassen kein Gebet aus. Aber das trifft auch auf einige der Piraten zu. Das Wichtigste dabei ist, und das bestätigen alle unsere Gefangenen, dass diese neuen Kämpfer sich während der letzten Auseinandersetzungen als Führer oder Berater der Piratenbanden betätigt haben. Sie ziehen das Schlachtfeld von der anderen Seite her auf. Und das machen sie ziemlich gut. Sie schlagen nicht wahllos rein, sondern locken uns in Hinterhalte und arbeiten mit Minenfallen.«
»Mit Minen?«, fragte Kipper.
»Ja, Sir. Das ist ziemlich beunruhigend. Viele unserer Opfer der letzten Zeit haben wir nicht in Gefechten zu beklagen. Im direkten Kampf schlagen wir sie problemlos zurück. Aber die meisten Verluste haben wir durch Autobomben
und behelfsmäßige Minen. Die Stadt ist ein echter Alptraum geworden. Ich habe den Eindruck, dass New York schon vor unserer Ankunft vermint wurde.«
»Wissen wir denn, wer hinter dem Ganzen steckt?«, fragte Culver. »Gibt es Hinweise darauf, dass eine fremde Macht sich engagiert?«
»Nichts Konkretes, Sir. Es gibt wohl einen Führungskader, von dem die Gefangenen wissen, aber sie kennen die Namen nicht und haben auch sonst keine nützlichen Informationen. Wenn wir bloß einen von diesen gottverdammten Halstuch-Freaks zu fassen bekämen …«
Trotz der elektronischen Verschlüsselung konnte Kipper die Enttäuschung, die in Kinninmores Stimme mitschwang, heraushören.
»Entschuldigung, Mr. President, ich wollte nicht …«
»Schon gut, Colonel«, sagte Culver. »Mir geht’s genauso. Man fühlt sich, als würde man von irgendeinem Mistkerl aus dem Nichts heraus angegriffen. Ich muss Ihnen ja nicht groß erklären, dass wir unbedingt einen von diesen Leuten festnageln müssen. Ich bin mir sicher, dass Sie schon Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt haben, um das zu tun.«
»Danke, Mr. President. Das ist ganz richtig, Sir.«
Kipper reckte den Hals. Es knackte ziemlich deutlich. Das Zimmer um ihn herum begann zu verschwimmen, und er musste sich am Bett festhalten, um nicht umzufallen. Culver schaute ihn besorgt an und streckte eine Hand aus, um ihn zu stützen, aber Kipper schüttelte nur den Kopf und hielt ihm den Arm hin, von dem das Blut abgenommen worden war. Er litt einfach nur unter den Nachwirkungen des Blutverlustes.
»Colonel, ich muss jetzt weiter«, sagte Kipper. »Ich will hier einige von Ihren Männern und Frauen im Krankenhaus besuchen. Meine Visite habe ich nur unterbrochen, um mit Ihnen zu sprechen.«
»Tun Sie alles, was in Ihrer Macht steht, Mr. President«, sagte Kinninmore. »Sie können auf sie stolz sein.«
»Da bin ich ganz sicher. Bleiben Sie dran, Colonel. Und rufen Sie mich wieder an, wenn Sie irgendwas erfahren haben, was ich wissen sollte.«
»Ja, Sir. Mr. President, Mr. Culver. Kinninmore, Ende.«
Die Verbindung brach ab, und das Handy gab einen Piepton von sich, weil es das Signal verloren hatte. Culver schaltete es aus.
»Wir machen am besten mit unserer Tour weiter«, sagte Kipper. »Ich will die Leute nicht warten lassen.«
Culver half ihm, sich wieder aufzurichten. Kipper fragte sich, ob er vielleicht ähnliche Beschwerden hatte, schließlich hatte er ebenfalls Blut gespendet. Aber es schien ihm nicht im Entferntesten so viel auszumachen.
»Innerhalb der nächsten Stunde
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