Das verlorene Land
schnell!«
Sie rannte die Stufen hinunter, während um sie herum die Lichter in den Fenstern angingen und ein Feueralarm losheulte.
»Was zum … Scheiße?«, war alles, was sie herausbrachte, als sie sich auf den Beifahrersitz warf, nachdem er sich herübergebeugt hatte, um ihr die Tür aufzustoßen.
»Tut mir leid«, sagte Dalby. »Ich hab wohl ein bisschen geflunkert, als ich sagte, wir würden Sie ganz allein losschicken.«
»Verdammt nochmal, Dalby!«
Sie wartete, bis er auf die Straße eingebogen war, bevor sie ihm auf die Schulter schlug. Der Engländer hielt sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung und vermied es, mit riskanten Manövern Aufmerksamkeit zu erregen. Er hatte einen Scanner auf dem Armaturenbrett befestigt, mit dem sie die Notrufe an die Polizei abhören konnten.
»Bitte um Entschuldigung, Ms. Monroe … Caitlin. Aber da Sie nun mal eine inoffizielle Agentin sind, fürchte ich, dass auch ich hier ohne diplomatischen Schutz unterwegs bin. Bei unseren Kollegen auf dem Kontinent müssen wir inzwischen ziemlich vorsichtig sein.«
Der Wagen schaukelte hin und her, und sie musste sich festhalten, als sie die Straße entlangfuhren, wo sie am Morgen zusammen mit Mirsaad den Basar besucht hatte. Nein, verbesserte sie sich, das war gestern Morgen gewesen. Es fiel ihr gar nicht so leicht, alles klar auseinanderzuhalten. Darüber hinaus war sie sehr unzufrieden damit, wie unprofessionell sie auf den unerwarteten Hinterhalt reagiert hatte, zumindest am Schluss, und das galt auch für Dalbys unerwartetes Eingreifen.
»Ich meine es ernst, Dalby. Was zum Teufel tun Sie hier? Was ist das für eine idiotische Operation? Geht es überhaupt darum, al-Banna zu fangen? Ist es überhaupt wichtig, dass wir herausfinden, wie die Versorgungswege dieser Leute verlaufen? Was geht hier eigentlich vor, zum Donnerwetter!«
Dalby gelang es immerhin, einigermaßen zerknirscht auszusehen, während er den Wagen aus der Schariastadt Richtung Flughafen lenkte. Caitlin hörte die Martinshörner der Rettungswagen, die Richtung Neukölln rasten.
»Es tut mir leid, Caitlin, wirklich«, sagte Dalby. »Aber was sein muss, muss sein. Ich habe Ihnen keinen Unsinn erzählt, als wir miteinander telefoniert haben. Nur dass ich Ihnen nicht gesagt habe, dass ich ebenfalls in Berlin bin. Wir haben ja alle unsere Geschichten, und ich habe eine besondere Verbindung zu dieser Stadt, Caitlin. Tatsächlich dürfte ich überhaupt nicht hier sein.«
Er ging nicht weiter darauf ein, was sie auch nicht erwartete. Sie fuhren weiter. Ein Feuerwehrauto und zwei Krankenwagen rasten mit heulenden Sirenen an ihnen vorbei. Dalby ließ sich nicht beirren und blieb auf seiner
Spur. Caitlin war sich jetzt ganz sicher, dass sie in einem weiten Bogen auf den Flughafen Tempelhof zufuhren.
»Ich habe mich als Deckung für Sie gemeldet, weil ich mir schon dachte, dass so etwas passieren könnte.«
Caitlin war empört. »Ich weiß sehr genau, wie ich meine Arbeit erledigen muss, Dalby«, sagte sie, bereute aber, dass sie einen so ungnädigen Ton angeschlagen hatte. Immerhin war der Mann ein großes Risiko eingegangen, um ihr zu helfen. Wahrscheinlich war er die ganze Zeit, die er sich in Berlin befand, in Gefahr. »Entschuldigung«, lenkte sie ein. »Können Sie mich einfach kurz auf den neuesten Stand bringen?«
»Im Moment beobachten wir einen geradezu amateurhaften Versuch, uns abzulenken«, sagte er. »Wir sind jetzt der Ansicht, dass der Angriff auf Ihre Familie nicht persönlich motiviert war. Es sollte nur so aussehen, um uns den Eindruck zu vermitteln, Baumer sei nach Deutschland zurückgekehrt, nachdem er aus der Gefangenschaft in Guadeloupe entkommen ist. Ihre Familie anzugreifen und sich dann nach Berlin zurückzuziehen, um dort abzuwarten, bis Sie in die Falle gehen, das ist so ein hübscher kleiner Racheplan, wie man ihn von Baumer kennt und für den er hier genügend Helfer finden kann. Glücklicherweise waren die nicht allzu erfolgreich. Das liegt unter anderem daran, vermuten wir jedenfalls, dass er die besten Leute, die er für seine Zwecke aus den Flüchtlingskontingenten der letzten Jahre rekrutierte, nach New York geschickt hat.«
Caitlin schüttelte den Kopf und versuchte ihre kurze Benommenheit und das Unwohlsein, das sie erfasste, zu verscheuchen. Sie erreichten jetzt den nördlichen Rand des Flughafens Tempelhof.
»Und was glauben Sie? Dass er sich als Pirat betätigt? Das macht doch überhaupt keinen Sinn. Der Mann, hinter dem
Weitere Kostenlose Bücher