Das verlorene Land
Kaffee war für sie dennoch ein seltener Luxus.
»Ich würde gern mit Miguel gehen«, bot Randall an, aber an den sich vertiefenden Falten in Aronsons Gesicht konnte Miguel erkennen, dass ihm der Gedanke, einen Mann zu verlieren, der sich bei der Auseinandersetzung in Crockett als so zuverlässig erwiesen hatte, gar nicht gefiel.
»Nein, ich denke, wir sollten uns Miguels Vorschlag anschließen«, sagte Aronson. »Da er nun mal der Kundschafter ist, sollten wir es auch ihm überlassen, denjenigen auszusuchen, den er mitnehmen möchte.«
Der Ingenieur zuckte mit den Schultern, und es sah aus, als sei er ein wenig eingeschnappt. Miguel schaltete sich ein, um seinen Standpunkt zu erläutern.
»Meine Tochter wird hierbleiben, wenn ich losreite«, sagte er. »Es wird mir leichter fallen, sehr viel leichter, wenn ich weiß, dass Sie hier sind und auf sie aufpassen. Ich habe gesehen, wie Sie die Road Agents in Crockett fertiggemacht haben, Mr. Randall. Bei Ihnen wird meine Tochter in Sicherheit sein.«
Randall deutete mit dem Kaffeebecher auf Miguel. »Und Sie können sicher sein, dass ihr kein Haar gekrümmt wird, solange ich noch atme, Miguel.«
»Dann werden wir uns noch vor Tagesanbruch auf den Weg machen«, sagte Miguel. »Adam schläft bereits. Er hat sich einen Schlafsack und Verpflegung für fünf Tage eingepackt. Ich werde das Gleiche tun. Aber zuerst müssen wir uns auf eine Route verständigen.«
Er griff nach der alten Landkarte, die sie benutzten, um ihren Weg durch Texas zu finden. Die dicke, mit Laminat beschichtete Karte war übersät mit Kritzeleien und Notizen. Sie bog sich an den Ecken und Kanten, nachdem sie zahllose Male gefaltet worden war. Miguel nahm sich vor, eine neue mitzunehmen, wenn sich die Gelegenheit ergab. Sie schoben das Geschirr zur Seite, das zwischen den Kerzen stand, und er legte die Karte so zusammen, dass der Teil mit dem Gebiet, in dem sie sich befanden, in der Mitte lag.
Miguel deutete auf ihren jetzigen Standort und ließ den Finger entlang einer geschwungenen Linie Richtung Norden gleiten. »Wir werden diesem Weg hier folgen«, sagte er. »Wir reiten voran und kommen immer wieder zurück, nachdem wir den Weg über, sagen wir, dreißig Kilometer ausgekundschaftet haben und sicher sind, dass keine Road Agents dort sind.«
»Und was ist, wenn Sie welche treffen?«, fragte Aronson.
»Dann werden wir dafür sorgen, dass sie uns nicht bemerken.«
42
Texas, Regierungsbezirk
Die Hunde knurrten schon, bevor Miguel und Adam den Bergkamm erreicht hatten. Miguel ahmte das Zwitschern einer Nachtigall nach, damit sie zu ihm zurückkamen, so wie er es ihnen beigebracht hatte, und warf jedem ein Stück getrocknetes Rindfleisch zu.
»Bei Fuß. Seid still«, befahl er, bevor er den Jungen anwies, abzusteigen und sein Pferd festzumachen. Adam tat, was von ihm verlangt wurde, und sagte kein Wort, während er sein Pferd zu einer Zeder führte und an einem niedrigen Ast anband. Dann nahm er den M4-Karabiner mit dem wuchtigen Schalldämpfer vom Sattel. Jetzt, da er in der Wildnis unterwegs war, sah er überhaupt nicht mehr jugendlich aus, sondern mehr wie ein schon ziemlich abgehärteter Grünschnabel, der in der Lage war, schnell dazuzulernen.
Miguel nahm sich die Zeit, um hinter sich zu schauen und alle möglichen Verstecke abzusuchen, wo Sofia sich womöglich verbergen konnte. Nach den Vorfällen in Crockett war er darauf gefasst, dass sie wieder das Gleiche vorhatte.
Als er sich sicher war, dass seine Tochter diesmal zurückgeblieben war, zog Miguel seine Winchester aus dem Futteral. Vorsichtig näherten sie sich durch einen lichten Tannenwald zwischen Wacholderbüschen und einigen verstreut stehenden Koniferen und Ulmen hindurch dem Gipfel. Der Waldboden war mit einem weichen Teppich
aus Tannennadeln übersät, der ihre Schritte dämpfte. Miguel stieg der Geruch von brennendem Holz und geröstetem Schweinefleisch in die Nase, und das Wasser lief ihm im Mund zusammen. Wenige Meter vom höchsten Punkt entfernt legten sie sich auf den Boden und robbten weiter voran. Miguel nickte Adam kurz zu. Der Junge machte alles sehr gut und schien die Angst überwunden zu haben, die ihn vor der Rettungsaktion in Crockett befallen hatte.
Sie hörten die Stimmen, als sie sich vorsichtig auf ihren Ellbogen aufstützten, um über die Kammlinie zu spähen. Der Berg fiel vor ihnen knapp dreihundert Meter weit ab auf ein Plateau, auf dem schon seit langer Zeit keine Bäume mehr wuchsen. Dort stand eine
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