Das verlorene Land
Fensterscheiben zu erkennen. Sie waren noch immer dick angezogen, weil sie sich vor der Kälte schützen mussten, trugen wie gewöhnlich ihre Waffen bei
sich und sahen abgezehrt und müde aus. Vor dem Hintergrund der mondbeschienenen Wasserfläche wirkte das Bild wie ein mittelalterliches Gruppenporträt.
»Sind Sie sich da sicher, Miguel?«, fragte Cooper Aronson. »Das könnte bedeuten, dass wir einige Wochen länger unterwegs sind. Und ich muss Ihnen ja nicht erklären, dass jeder weitere Tag in der Wildnis ein zusätzliches Risiko für uns darstellt.«
»Ich habe diese Leute auch gesehen«, sagte Adam ruhig und selbstbewusst. »Das waren ganz bestimmt Road Agents. Und zwar von einer schlimmeren Sorte als jene, denen wir in Crockett begegnet sind. Sie sahen … ich weiß auch nicht … richtig professionell aus.«
»Er hat Recht«, sagte Miguel. »Es waren Road Agents, und ich habe den Verdacht, dass sie für das Massaker in Palestine verantwortlich sind. Sie waren nahe genug dran, und das Gebiet der anderen Gruppe reichte nur bis Crockett.«
Er warf der ehemaligen Lagerhure, die sich Marsha nannte, einen kurzen Blick zu. Von den Frauen aus Crockett hatte sie sich am besten in ihre Rolle als Begleiterin der Mormonen hineingefunden. Das war noch lange kein Grund, ihr zu vertrauen, aber auf sie konnte man eher zählen als auf ihre beiden missgelaunten Freundinnen, die immer abseits saßen und apathisch ihre Zigaretten rauchten und heimlich eine Flasche mit Alkohol leerten. Die Heiligen der letzten Tage unterbanden das Trinken nicht – das wäre ungerecht gewesen, denn niemand erhob Einspruch dagegen, dass Miguel jeden Abend selbst einen guten Schluck nahm -, aber sie ließen die Frauen deutlich spüren, dass sie es nicht guthießen. Marsha saß etwas von den andern beiden entfernt, achtete aber darauf, dass sie den Mormonen nicht zu nahe kam. Nur gegen Miss Jessup schien sie nichts zu haben, die gewissermaßen eine Brückenfunktion zwischen den verschiedenen Frauen einnahm.
»Also, Marsha, was hältst du davon?«, fragte Trudi Jessup freundlich. »Nach allem, was du weißt – könnten die Männer, die Miguel und Adam heute gesehen haben, Road Agents sein, die das Land nördlich von Crockett kontrollieren?«
Marsha starrte Miguel eine Weile an, der ja immerhin den Mann erschossen hatte, mit dem sie zusammen gewesen war. Aber dann entspannte sie sich, als Trudi ihr auffordernd auf die Schulter klopfte. Sofia schaute ihren Vater genervt an, aber er gab ihr mit einem Blick zu verstehen, dass sie ruhig sein sollte. Es machte keinen Sinn, dieser Frau gegenüber einen Groll aufzubauen. Immerhin gehörte sie jetzt zu ihnen und konnte vielleicht sogar nützlich sein.
»Möglich«, erklärte Marsha. »Die Jungs haben nicht oft über solche Sachen geredet. Sie haben immer nur mit Schießereien geprahlt oder ihren Plünderungen. Aber der alte Tom hat immer wieder dieses Thema zur Sprache gebracht. Einflussgebiete und politische Sachen, darüber hat er gern geredet.«
Miguel nickte. »Der alte Tom, das war der Letzte, den wir aufgehängt haben.«
Marsha schaute ihn böse an. »Stimmt, aber er war auch ein guter Kerl gewesen!«
Sofia schnaubte abfällig. »Er war ein Mörder und ein Vergewaltiger, der genau das bekommen hat, was er verdiente.«
»Er ist jetzt sicherlich schon vor seinen Richter getreten«, sagte Miguel beschwichtigend und wandte sich dann wieder an Aronson. »Sie wissen ja, was ich von den Road Agents halte. Sie gehören zu Fort Hood. Vielleicht nicht die unteren Ränge, das sind sicherlich nur angeheuerte Söldner. Aber die Führer dieser Banden, die müssen Blackstone Rede und Antwort stehen. Von ihnen wird verlangt, dass sie ihre Arbeit so effektiv wie möglich leisten, sie
sind dafür ausgebildet worden. Dieses Lager, das wir heute gesehen haben, ähnelte sehr einem Militärcamp, dort ging es sehr diszipliniert zu. Wenn wir uns länger auf dem Hügel aufgehalten hätten, wären wir sicherlich entdeckt worden. Das sind keine Amateure, und es dürfte sehr schwer sein, sie uns vom Leib zu halten, wenn wir unserer ursprünglichen Route folgen. Deshalb müssen wir nach Nordosten ausweichen. Wir können nicht nach Westen, denn das Land dort steht unter der direkten Kontrolle von Fort Hood. Für die gehören Sie zum Bundesstaat, zu Seattle. Dort werden Sie nicht einfach so durchkommen.«
Willem D’Age beugte sich vor. Er saß neben Jenny, seiner Verlobten, auf einem eleganten Ledersofa. Mit einem
Weitere Kostenlose Bücher