Das verlorene Land
Scheit öffnete er die Gittertür des Kanonenofens, warf noch etwas Holz nach und wandte sich an Aronson.
»Miguel könnte Recht haben. Wir hatten ziemlich viel Ärger mit der Zollbehörde und den Finanzbeamten, kaum dass wir Corpus Christi verlassen hatten. Damals sagtest du, es sähe so aus, als ob sie auf uns gewartet hätten. Und so wie sie uns geschröpft haben, glaube ich nicht, dass es legal oder gerecht war.«
Miguel verschränkte die Arme und nickte. »Es ist so, wie ich es sage. Hier draußen kann man sich nur mit einer Kugel Gerechtigkeit verschaffen. Diese angeblichen Beamten, haben die tatsächlich behauptet, sie würden Steuern erheben?«
Aronson schnaubte abfällig.
»Sie haben es nicht nur behauptet, mein Freund. Sie haben zehn Prozent von unserer Ausrüstung konfisziert mit der Behauptung, das sei so etwas wie ein Grenzzoll. Sie hatten Ausweispapiere und haben uns sogar eine Quittung ausgestellt. Es machte alles einen sehr offiziellen Eindruck. Und es geschah vor den Augen einer Abteilung der Texas Defense Force, die sich in der Nähe befand. Aber uns wurde auch gesagt, dass wir noch mehr Gebühren
entrichten müssten, wenn wir die Staatsstraßen benutzen, um die Kosten für unseren Schutz auszugleichen. So kam es dann, dass wir den Weg durch das Gebiet der Road Agents nahmen. Wir hatten das Gefühl, dass uns bald nichts mehr übrigbliebe, wenn wir längere Zeit durch das Blackstone-Territorium ziehen würden.«
Miguel strich sich über den Bart und brummte missmutig.
»Ich kenne ähnliche Geschichten über Farmen auf dem Bundesgebiet, die trotz der Freistellung durch die Regierung in Seattle Steuern bezahlen mussten, auch wenn es mir nicht passiert ist. Bei uns haben sie einfach alles auf einmal genommen, anstatt es Stück für Stück zu fordern.«
»Sollen wir also um diese Leute einen Bogen machen, wie Miguel es vorschlägt?«, fragte Adam zur Überraschung von Miguel und Aronson. Der Junge hatte in kurzer Zeit eine Menge Selbstbewusstsein gewonnen. Miguel unterdrückte ein Lächeln, als er bemerkte, wie Sally Gray zustimmend nickte. Seine Tochter hingegen ignorierte diese kleine Geste geflissentlich. Sie wird sich wohl damit abfinden müssen, dachte er. Die beiden jungen Mormonen verbrachten viel Zeit zusammen, wenn es Adams Pflichten zuließen. Und auch wenn man deutlich merkte, dass Adam sich von Sofias exotischem Äußeren angezogen fühlte, bestand kein Zweifel, dass er sich am Ende für ein Mädchen entscheiden würde, das seinesgleichen war.
Trotzdem nahm er nicht an, dass sie ihre Schlafsäcke zusammenschließen würden. Die Mormonen hatten in dieser Hinsicht strikte Vorstellungen. Sogar D’Age und seine Verlobte schliefen getrennt. Miguel, dem der Verlust von Mariella schwer zu schaffen machte, wunderte sich über so viel Disziplin und Abstinenz. Was würde er nicht dafür geben, ein letztes Mal mit seiner Frau zusammenzuliegen. Nur um ihr all das zu erzählen, was er ihr in den Turbulenzen der letzten Zeit nicht hatte sagen können.
Er wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. Niemand hatte seine kleine Schwäche bemerkt.
»Ich vermute, wir wären nicht in der Lage, diese Bande zu bezwingen«, überlegte Aronson laut.
Bevor Miguel etwas sagen konnte, meldete sich Adam erneut zu Wort.
»Ganz bestimmt nicht«, erklärte er. »Sie sehen sehr gefährlich aus. Das Beste, was uns passieren kann, ist, sie nie wiederzusehen. Ich schlage vor, dass wir noch vor Sonnenaufgang weiterziehen. Sie werden Kundschafter aussenden, und unsere Rinder wirbeln eine Menge Staub auf.«
Sally Gray, die direkt neben Jenny saß, nickte lebhaft, fügte aber nichts hinzu.
»Was meinst du dazu, Willem?«, fragte Aronson.
»Ich bin der gleichen Ansicht wie Bruder Adam und Miguel. Ich fürchte, dass es sich bei diesen Leuten um die Massenmörder von Palestine handelt. Falls sie es sind, dann haben wir keine Chance gegen sie. Nicht hier draußen. Ich denke, es wird wohl das Beste sein, wenn wir uns so weit wie nur möglich von ihnen entfernt halten.«
Aronson saß schweigend da und überlegte. Er war der Anführer, er musste entscheiden. Miguel sah die Ungeduld auf Adams jugendlichem Gesicht, alles an ihm drängte auf eine Entscheidung. Er hatte sich in der Nähe des Haupteingangs des großzügigen Wohnzimmers niedergelassen, und im Gegensatz zu den anderen trug er auch hier seinen Karabiner bei sich, als würde er jeden Moment damit rechnen, dass er ihn brauchte. Schweigen breitete sich aus, und
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