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Das verlorene Land

Das verlorene Land

Titel: Das verlorene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Birmingham
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man hörte nur das Knacken des Feuers und das Klappern des Bestecks auf den Tellern, weil einige der Anwesenden noch dabei waren, ihr Abendessen zu beenden – Bohnen mit Rindfleisch. Miguel warf Adam einen Blick zu, um ihn zu beruhigen, und der Junge schien sich ein wenig zu entspannen. Sofia wiederum saß still und aufmerksam da wie eine Katze.

    »Also gut«, sagte der Anführer der Mormonen. »Ich stimme euch zu. Wir sind nicht genug und verfügen, ehrlich gesagt, auch nicht über die Möglichkeiten, um diesen Männern entgegenzutreten und eine solche Begegnung zu überleben. Ich schlage vor, dass wir uns früh schlafen legen und vor Sonnenaufgang morgen früh weiterziehen. Ich werde es Ben und Maive mitteilen, wenn sie von ihrem Kontrollritt zurück sind.«
    Miguel nickte zufrieden, als die Zusammenkunft sich auflöste. Er hatte um zwei Uhr morgens Wache, zusammen mit Adam und noch nichts gegessen, da sie sich nach ihrer Rückkehr zunächst um die Pferde gekümmert hatten. Die Rolle des Pferdebetreuers hatte er nach dem Tod von Atchinson übernommen. Jetzt nahm er sich eine Kelle mit Eintopf aus dem großen Pott, der auf dem Ofen stand, und füllte eine hübsche Porzellanschale damit. Mariella hätte diese Art von Geschirr sehr gefallen. Es war etwas, das man herausholte, wenn man besondere Gäste hatte.
    »Wie wär’s mit einem Drink, Cowboy?«
    Er schaute von seinem Eintopf auf und stellte überrascht fest, dass Trudi Jessup mit einer Weinflasche und zwei Gläsern vor ihm stand.
    »Wo haben Sie die denn gefunden?«
    Miss Jessup lächelte. »Die haben hier einen Keller. Hatten einen, besser gesagt. Verdammt gut bestückt. Das hier ist ein 1990 Echezeaux Grand Cru!«
    Miguel schüttelte verblüfft den Kopf.
    »Ich hab ab und zu meinen Tempranillo getrunken, aber ich kenne mich nicht so besonders mit Wein aus. Ist der gut?«
    »Ehrlich gesagt, ein bisschen verkorkt«, sagte sie. »Aber was soll’s. Die Welt ist nun mal nicht perfekt. Darf’s ein Gläschen sein?«
    Er machte eine vage zustimmende Geste, und sie schenkte großzügig ein. Er konnte keine Korkstücke darin erkennen,
aber vielleicht hatte sie sie rausgefischt. Jedenfalls hätte er das getan.
    Die Mormonen räumten die Reste des Abendessens ab und zogen sich in ihr Nachtlager zurück. Die beiden ehemaligen Huren rauchten immer noch, aber als er ihr Spiegelbild im Fenster betrachtete, konnte er erkennen, dass sie höhnisch grinsten. Sofia starrte nach draußen in die Dunkelheit. Miss Jessup hob auffordernd die Flasche und schenkte ihm ein warmherziges Lächeln. Miguel fühlte sich sehr unwohl.
    »Meine Frau …«, sagte er linkisch.
    Sie schaute ihn eigenartig fragend an, neigte den Kopf ein wenig und lächelte auf eine sehr merkwürdige Art. Dann fing sie sich wieder und schaute ihn völlig überrascht an.
    »Oh, entschuldigen Sie bitte, Miguel. Ich hatte wirklich nicht die Absicht, verstehen Sie mich bitte nicht falsch … herrje! Wie schrecklich. Ich bin nicht mal …«
    Sofia schaute sie beide an, erpicht darauf herauszufinden, was hier nicht stimmte.
    Miss Jessup beugte sich vor und sprach leise weiter.
    »Ich bin überhaupt nicht auf Männer aus, verstehen Sie. Ich bin nicht unbedingt lesbisch, nein, eher vielleicht … mannbivalent.«
    Jetzt war er völlig verwirrt.
    Was meinte sie denn bloß damit? Er merkte, wie er rot wurde, als Sofia aufstand und zu ihnen herüberkam. Offenbar wollte sie unbedingt wissen, was hier los war.
    »Hm, der ist aber … ausgezeichnet«, versuchte er sich rauszureden und nahm einen Schluck von dem teuren verkorkten Wein, um seine Verlegenheit zu überspielen.
    »O Gott«, stieß sie hervor, bevor sie in lautes Kichern ausbrach. »O nein, das tut mir leid. Also wissen Sie, Miguel«, sagte sie, als sie sich wieder unter Kontrolle hatte, »ich mag Sie. Und ihre Tochter auch. Sie ist ziemlich hart im
Nehmen.« Sie nickte Sofia zu, die jetzt neben ihnen stand. »Und Sie haben mir das Scheiß-Leben gerettet, wenn ich es mal so sagen darf … und außerdem sind Sie … anders. Sie trinken zum Beispiel ab und zu etwas, und Sie sind nicht gleich empört, wenn ich mal wieder ausraste. Ich wollte bloß sagen, dass ich gern mal ein Glas Wein mit Ihnen trinken würde. Und wenn wir noch länger zusammen sind, dann fände ich es toll, wenn wir Freunde würden … geht das so in Ordnung?«
    Miguel zwang sich zu einem Lächeln. Er glaubte schon, dass er verstand, was sie meinte. Sofias Lächeln war etwas warmherziger und

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