Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das verlorene Land

Das verlorene Land

Titel: Das verlorene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Birmingham
Vom Netzwerk:
wieder in den Wachzustand. Einer der amerikanischen Apache-Hubschrauber flog über ihn und schoss Maschinengewehrsalven auf Ziele, die nicht einsehbar waren. Ein siedend heißer Regen von leeren Patronenhülsen fiel um ihn herum zur Erde. Wenn er von einer getroffen wurde, fühlte es sich an, als würde die Haut verbrannt. Yusuf kam auf die Füße und rannte geduckt auf das nächstliegende Gebäude zu, in dem er Schutz suchen wollte. Beinahe wäre er auf die Überreste eines seiner Kameraden getreten, der einige Meter entfernt lag. Nur der Kopf und ein Drittel des Brustkorbs waren noch zu erkennen, der Rest war eine einzige blutige Masse. Er glaubte, Abayneh, den Äthiopier, zu erkennen. Ein Ungläubiger, der seine Strafe bekommen hatte. Wahrscheinlich war er einer der betrunkenen Dummköpfe gewesen, die um die Raketenwerfer herumgetanzt waren. Warum erlaubten die Offiziere des Emirs seinen Janitscharen den Genuss von Alkohol? Bei den Fedajin war es strikt verboten.
    Yusuf stolperte über das, was von seinem ehemaligen Mitstreiter übrig geblieben war. Sogar jetzt noch in diesem extremen Augenblick konnte er nicht anders, als in dem
Toten einen Ungläubigen zu sehen und keinen getöteten Kameraden. Letztlich war Abayneh nichts weiter als ein Pirat gewesen, ein nützlicher Verbündeter, nicht mehr. Die meisten Männer hier auf der Insel waren wie er. Nur eine Handvoll Rechtgläubiger war unter sie gemischt worden. Sie sollten ihren Kampfgeist stärken und darauf achten, dass die Raketenwerfer korrekt bedient wurden, um sicherzugehen, dass die Ziele möglichst genau getroffen wurden.
    Als einer der Rechtgläubigen kannte Yusuf seine Pflichten. Er rannte zum nächstgelegenen Gebäude, die Waffe in der Hand. In seiner Brust brannte es vor Anstrengung und beißendem Rauch. Zum ersten Mal seit dem Gegenangriff der Amerikaner hörte er Stimmen, die Arabisch sprachen. Seine Stimmung hellte sich auf. Einige der Fedajin hatten offenbar überlebt und sich im Gebäude zusammengefunden. Er hastete weiter, seine Füße flogen über den Boden, als eine Maschinengewehrgarbe von oben durch die Grasbüschel direkt vor ihm mähte. Ohne auf die Gefahr zu achten, in der er sich befand, rannte er weiter. Wenn Allah wollte, dass er sterben sollte, dann würde er eben sterben.
    Aber er blieb am Leben. Er sprang durch die zersplitterte Tür in einen großen Raum, der leer war bis auf einige Möbel, Pulte und Stühle, die vor langer Zeit in einer Ecke aufgestapelt worden und nun mit Staub überzogen waren. Er machte eine Rolle und sprang wieder auf, das Gewehr im Anschlag, genau wie man es ihm beigebracht hatte. Zwei seiner Kameraden standen am Fenster und schrien Befehle nach draußen. Über dem Getöse der Schüsse und Explosionen konnte man kaum hören, was sie sagten, aber allein schon der vertraute Klang ihrer Stimmen genügte, um seine Kampfbereitschaft zu stärken.
    »Allahu Akbar«, rief er aus.

    Einer der Männer wirbelte herum und richtete sein Gewehr auf Yusuf, grinste dann aber leicht panisch, als er sah, dass er den ugandischen Konvertiten vor sich hatte. Yusuf erkannte Mustafa Ali, einen Pakistani, der als Offizier für die Koordination des Raketenangriffs verantwortlich war. Ein guter Mann mit einer großen Familie, die in einem der abseits gelegenen Lager hauste. »Komm, komm, schnell«, rief er Yusuf zu. »Sie sind da. Schnell jetzt, komm mit uns.«
    Ali und sein Kamerad – ein Araber, den Yusuf schon mal gesehen hatte, aber nicht näher kannte – nahmen sich ein Paar RPG-7-Panzerfäuste, die gegen die Fensterbank gelehnt waren, und rannten zu einer Tür am anderen Ende des Raums, wobei sie Yusuf bedeuteten mitzukommen. Das tat er auch, nachdem er kurz einen Blick durch das Fenster auf die Laster mit den aufmontierten Raketenwerfern geworfen hatte, die vor dem Haus standen. Sie waren vollständig zerstört worden, als wäre eine gigantische Faust vom Himmel auf sie herabgefahren. Die Überreste standen in Flammen, und gelegentlich war eine kleine Explosion zu hören, wenn Munition oder Benzin Feuer fingen. Von den Janitscharen, den dummen betrunkenen Piraten, wie er sie nannte, war kaum noch etwas zu sehen, bis auf einige Fetzen verbrannten Fleisches und einigen abgerissenen Gliedmaßen, die hier und da herumlagen.
    Yusuf war davon nicht sonderlich beeindruckt. Derartige Massaker hatte er schon öfter erlebt, auch wenn die beeindruckende Heftigkeit des amerikanischen Gegenangriffs neu für ihn war. Ihm war schwindelig,

Weitere Kostenlose Bücher