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Das verlorene Land

Das verlorene Land

Titel: Das verlorene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Birmingham
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Strom. Er merkte, dass er in die Hosen gemacht hatte, aber das war jetzt auch egal. Immerhin lebte er noch. Das fürchterliche Hämmern des Maschinengewehrfeuers aus dem Helikopter entfernte sich zusammen mit dem dumpfen Dröhnen der Rotorblätter. Er gab sich eine Minute, um über den Schock hinwegzukommen, bevor er aus dem Zimmer in den Korridor kroch, wo von Ali und dem anderen Mann nichts weiter als rauchende Fleischreste übrig geblieben waren. Yusuf hielt den Kopf geduckt und robbte mit dem Gewehr voran so schnell wie möglich fort von diesem grauenerregenden Ort. Er war sich ziemlich sicher, dass in der Nähe mit rauer Stimme Befehle in englischer Sprache gebrüllt wurden, und sah schon vor sich, wie das gesamte Gebäude sich mit brutal agierenden amerikanischen Soldaten füllte. Für ihn gab es hier nichts mehr zu tun, als möglichst schnell zu verschwinden. Er würde seinen Kampf an einem anderen Tag wiederaufnehmen.
    Er erreichte das Treppenhaus, durch das sie gerade erst hochgestiegen waren, richtete sich auf und ging mit unsicheren Schritten nach unten. Wenn er jetzt aus dem Gebäude rannte, das wusste er, würde er nur das tödliche Feuer aus einem der umherkreisenden Helikopter auf sich lenken. Deshalb wandte er sich, als er das Erdgeschoss erreicht hatte, einem weiteren Gang zu und rannte so schnell er konnte dort entlang, mit zitternden Beinen und einer Lunge, die so brannte, als hätte er loderndes Benzin eingeatmet. Er sah keine anderen Kämpfer mehr, was vielleicht ein gutes Zeichen war. Wenn sie genauso traumatisiert
und kopflos waren wie er, dann würden sie sich womöglich gegenseitig umbringen.
    Er rannte weg von dem Teil der Insel, wo die Raketenwerfer gestanden hatten, und fand sich bald in einer ungewohnten Umgebung wieder. Das Getöse des Kampfes trat in den Hintergrund, aber seine Verwirrung steigerte sich nur. Er erreichte das Ende des Flurs, wo eine Tür, die ganz offensichtlich von Gewehrfeuer durchsiebt worden war, den Weg freigab auf einen betonierten Platz, hinter dem sich das Wasser erstreckte. Die Angst und das Gefühl der Erniedrigung trieben ihn weiter an. Er warf seine Waffe weg, rannte durch die Tür ins Tageslicht. Die kurze Distanz bis zum Ufer legte er in wenigen Sekunden zurück. In seinem Kopf hallte nur ein einziger Gedanke wider. Er könnte sich fangen lassen. Aber keinem der Fedajin war es erlaubt, sich gefangen nehmen zu lassen. Hinter ihm ertönte weiteres Gewehrfeuer, und sein Nacken versteifte sich, weil er jede Sekunde damit rechnete, getroffen zu werden. Sie würden ihn bestimmt ins Visier nehmen. Andererseits war es jetzt auch schon fast egal. Er rannte weiter auf das Ufer zu, stieß sich ab und tauchte in das schmutzig grüne Wasser ein. Dass er überleben könnte, kam ihm ziemlich unwahrscheinlich vor.

06
    New York
    »Wir werden beschossen!«, rief der Pilot.
    Milosz zuckte zusammen, weil der Ausruf in seinem Kopfhörer viel lauter klang.
    Inmitten des Knackens und der Schreie im Kopfhörer und des lauten Wummerns der Rotorblätter des Blackhawk konnte Sergeant Fryderyk Milosz die typischen und allzu bekannten Klänge der BM-21-Raketen, die im Castle Clinton einschlugen, nicht ausmachen. Aber das war auch nicht nötig. Anhand des grellen Bogens ihrer Flugbahn konnte er ihren leicht gekrümmten Weg über den Fluss hinweg verfolgen. Ihre Auswirkungen waren unter ihm zu sehen und muteten an wie ein groteskes, aus Blut und Feuer hergestelltes Kunstwerk. Der ehemalige Angehörige der polnischen schnellen Eingreiftruppe GROM war nicht besonders erfreut darüber, dass er mit ansehen musste, wie seine neuen Mitbürger aufgescheucht umherhasteten und verzweifelt versuchten, sich vor den abgefeuerten Sprengköpfen in Sicherheit zu bringen, die überall, wo sie einschlugen, schwarze Rauchschwaden erzeugten. Er war noch weniger erfreut darüber, dass manche von ihnen es nicht mehr schafften. Das Gelände des Castle Clinton war mit Opfern übersät, manche krochen verzweifelt weiter, andere humpelten orientierungslos durch die Gegend, wieder andere wanden sich im Todeskampf. Hier und da lagen auch einige völlig regungslos herum, manche brannten. Glücklicherweise waren die Mistkerle, die für diesen Angriff verantwortlich waren, sehr schlechte Artilleristen.
Viele Raketen landeten im Fluss, wo sie Fontänen von schmutzig braunem Wasser in die Luft warfen oder auch gar nicht explodierten. Einige flogen viel zu weit und schlugen in den Wolkenkratzern der Umgebung ein, wo

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