Das verlorene Land
Zuständigkeitsbereich. Da müssen Sie mit Ihren militärischen Beratern sprechen …«
Kipper hob die Hand, um Shinoda zu unterbrechen. »In diesem Augenblick aber gehört es in Ihren Zuständigkeitsbereich, Agent Shinoda, weil ich es so will. Sind Sie sicher, dass wir diese Verwundeten nicht verlieren werden, während wir darauf warten, dass die Kämpfe um den Flughafen zu einem Ende kommen?«
Shinoda war sehr unangenehm berührt, bemühte sich aber zu antworten, obwohl das immer lauter werdende Knattern eines Helikopters sich näherte. Es klang so, als wollte der Hubschrauber mitten in der Festung zur Landung ansetzen.
»Diese irregulären Kräfte sind nicht in der Lage, sehr koordiniert vorzugehen, Mr. President. Sie überhaupt koordiniert zu nennen, ist wahrscheinlich eine Übertreibung. Eine längere Belagerung des Flughafens dürfte ihnen angesichts unserer Feuerkraft und vor allem wegen unserer aus der Luft unterstützten Bodentruppen schwerfallen. Über einen größeren Zeitraum halten die das nicht durch.«
»Unseren Verwundeten steht auch kein größerer Zeitraum zur Verfügung, hab ich Recht? Sie müssen so schnell wie möglich weggebracht werden.«
Ein weiterer Angehöriger des Secret Service in schwarzer Montur tauchte an der Tür auf. »Entschuldigen Sie
bitte, meine Herren, aber der Marine One ist gerade gelandet.«
»Mr. President«, sagte Jed Culver, »vielleicht können wir diese Diskussion ja im Hubschrauber zu Ende führen.«
Kipper schüttelte den Kopf. »Nein. Ich werde den Hubschrauber erst besteigen, wenn der Secret Service mir glaubhaft versichert hat, dass alle Schwerverletzten in Sicherheit gebracht worden sind. Sie können gleich damit beginnen, sie in meinem Helikopter auszufliegen. Er ist für solche Einsätze ausgestattet, und ich bin hundertprozentig gesund, also brauche ich das alles gar nicht.«
Agent Shinoda wollte etwas einwenden. »Aber Mr. President …«
»Lassen Sie das, wir diskutieren nicht darüber. Es wird genau so gemacht, wie ich es will. Jed, du holst mir jetzt jemanden vom Militär her, der zuständig ist, und erklärst ihm, was ich verlange. Agent Shinoda, ich bleibe gern hier unten, wenn es Ihnen die Arbeit erleichtert, aber ich lasse mich auch mit Vergnügen an einen anderen, noch sichereren Ort bringen. Die Entscheidung überlasse ich Ihnen. Aber ich verlasse Manhattan erst, wenn die Verwundeten ausgeflogen sind, haben Sie mich verstanden?«
»Ja, Sir«, stimmte Shinoda mit deutlicher Zurückhaltung zu.
»Wo sind die Verwundeten jetzt?«
»Wir haben oben eine Triage eingerichtet, Mr. President, im ehemaligen Souvenirladen.«
»Gut«, nickte Kipper vor sich hin. »Das klingt sicher. Dann bringen Sie mich mal dort hin, und zwar jetzt gleich.«
Shinoda sah aus, als wollte er widersprechen, aber ein kurzer Blick von Kipper genügte, und er lenkte ein.
»Hast du irgendwelche Piraten gesehen, Daddy? In den Nachrichten haben sie davon berichtet, aber Mom hat mich
nicht zugucken lassen, obwohl du auch bei den Piraten dabei warst.«
Kipper lächelte, während er den Hörer ans Ohr hielt, und stellte sich seine Tochter zu Hause vor, nach dem Abendessen, frisch gebadet und bettfertig – in Sicherheit und Tausende von Kilometern entfernt von dieser toten Stadt, in der massenweise verrückte Mörder herumgeisterten und blutrünstigen Terror und Wahnsinn verbreiteten. Suzies Zimmer lag neben dem Schlafzimmer der Eltern im ersten Stock des Dearborn House, dem neuen provisorischen Heim des Präsidenten der Vereinigten Staaten in Seattle. Kipper wusste, dass sie jetzt auf dem dicken Flokatiteppich am Fuß ihres Bettes saß, umgeben von ihren engsten Vertrauten Tigger, Barbie und dem weißen Teddy in der Cheerleader-Uniform, der immer sang: »Oh, Mickey, du bist toll, so toll, du machst mich einfach fertig«, wenn man ihn berührte. Es war viel schöner, sich das vorzustellen, als sich mit der ihn umgebenden Wirklichkeit zu beschäftigen. Im Moment saß er in einem schwarzen gepanzerten Fahrzeug auf dem Rücksitz und fuhr durch Manhattan, während Suzies Stimme durch statisches Rauschen und lautes Piepen zu ihm drang.
»Nein, Liebes, ich habe keine Piraten gesehen«, sagte Kipper. »Sie waren auf der anderen Insel. Sag mal, hast du dir denn schon die Zähne geputzt und gebetet?«
Das Funkgerät piepte und zeigte damit an, dass Suzie wieder etwas sagen wollte. Es ging Kipper ziemlich auf die Nerven.
»Ja«, sagte sie wenig überzeugend.
»Dann ist es jetzt
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