Das verlorene Land
cremefarbenen, modernen Gebäude im südwestlichen Zipfel der Stadt in der Nähe der Kreuzung an der M4-Schnellstraße. Er wirkte sehr unscheinbar, war mittelgroß, hatte kurzes hellbraunes Haar und trug einen gut geschnittenen, aber nicht zu teuren Anzug. Caitlin erkannte sofort, als sie durch die automatische Tür in den Empfangsbereich trat, dass dies ihr Betreuer oder Aufpasser war. Er bemerkte sie, hob eine Augenbraue und kam ihr entgegen, wobei er eine Aktenmappe von einer Seite auf die andere nahm, damit er ihr die frei gewordene Hand geben konnte. Er roch nach Rasierwasser und Pfeifentabak. Sie stellte fest, dass er zwar von Kopf bis Fuß wie ein Bürohengst aussah, aber einen festen Händedruck hatte, und sie bemerkte die Schwielen an seinen Handflächen, die denen an ihrer eigenen Hand ähnelten.
»Ms. Monroe, mein Name ist Dalby«, sagte er. »Das Ministerium in London schickt mich, damit ich Sie in Ihrer problematischen Situation unterstütze.«
Caitlin hatte noch immer genug Adrenalin im Körper, um nervös zu reagieren.
»Problematische Situation? Die haben versucht, meine Familie umzubringen«, schnauzte sie ihn an.
»In der Tat. Das tut mir leid«, sagte Dalby. »Manchmal formuliere ich wohl etwas zu zurückhaltend.«
Die Art, wie er sich ausdrückte, war eine eigenartige Mischung aus dem rauen Ton der Arbeiterklasse und einer hochgestochenen Formulierungsweise, die er sich ganz offensichtlich antrainiert hatte. Caitlin versuchte sich wieder zu beruhigen und ignorierte seine Entschuldigung. »Seien Sie nicht böse, Mr. Dalby, aber es war wirklich ein schrecklicher Morgen. Ich möchte einfach nur zu meiner Familie zurück, falls das in Ordnung ist.«
»Selbstverständlich«, sagte er. »Folgen Sie mir bitte.«
Im Krankenhaus war es sehr ruhig, sogar für einen Tag mitten in der Woche. Nur wenige Menschen saßen im Wartebereich der Notaufnahme. Von dem in ihren Augen brandgefährlichen Durcheinander, das üblicherweise in den öffentlichen Hospitälern herrschte, war nichts zu sehen. Caitlin erwartete, dass es am Rezeptionspult eine Verzögerung geben würde, aber Dalby reichte ihr ein Plastikschild zum Anstecken und deutete an, dass sie ihm durch eine Tür folgen sollte, die automatisch aufschwang und ins Innere des Gebäudes führte. Niemand fragte nach ihrer Zugangsberechtigung oder stellte sich ihnen in den Weg. Caitlin vermutete, dass der Mann aus dem Innenministerium den Leuten hier schon längst unmissverständlich klargemacht hatte, dass mit ihm nicht zu spaßen war. Eigentlich war allen Menschen im Land klar, dass man sich mit dem Ministerium besser nicht anlegte.
»Konnten Sie schon die Identität der Angreifer herausfinden?«, fragte sie, während sie einen breiten Flur entlangliefen, vorbei an Untersuchungsräumen und Behandlungszimmern, die größtenteils leer waren.
»Ich habe ein paar Informationen für Sie«, sagte Dalby. »Alle Attentäter konnten identifiziert werden, wir haben ihre Namen aus der staatlichen Datenbank rausgepickt, außerdem landeten wir einige Treffer im Verzeichnis von Scotland Yard und haben sie auf speziellen Listen des Innenministeriums gefunden.«
»Heißt das, es waren Profis?«, fragte Caitlin.
»Das wäre wohl zu viel der Ehre«, schnaubte Dalby. »Es waren drei billige Kriminelle und zwei Gestalten, die es auf der Leiter der Evolution ein kleines Stück weiter nach oben geschafft hatten. Wahrscheinlich waren diese beiden mit Planung und Durchführung der Operation betraut.«
Noch immer fand Caitlin seine Stimme irritierend. Er sprach eindeutig mit diesem typischen nasalen Ton eines Mannes aus East London, aber seine Ausdrucksweise wirkte, als hätte man ihn auf einer teuren Privatschule darauf getrimmt, sich gewählt auszudrücken. »Immerhin waren sie ziemlich gut ausgerüstet«, sagte sie und dachte an ihre Autos und die Waffen. An beides konnte man in Großbritannien in diesen Zeiten nur sehr schwer rankommen, weil der Staat zuallererst Ansprüche darauf anmeldete.
»In der Tat«, sagte Dalby, als sie um eine Ecke des Flurs gingen, von dem aus man in eine ganze Reihe halbgeschlossener Krankenzimmer gelangte. In jedem Zimmer befanden sich vier Betten, die Hälfte davon schienen belegt zu sein, zumeist von jungen Menschen. Vor einigen Jahren noch hätte man hier vor allem Dicke und Alte und chronisch Kranke vorgefunden, die am Tropf der Sozialversicherung hingen. Das war vorbei. Einige kurze Blicke hierhin und dahin bestätigten ihren Verdacht,
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