Das verlorene Land
dass die meisten Patienten Verletzungen hatten. Prellungen, Verwundungen und Brüche herrschten vor, und die meisten Personen kamen von den vielen Farmen, die es hier in der Gegend gab, wo kräftige Rücken und starke Muskeln gefragt waren. Sie dachte weiter über die allgemeine Situation nach. Es gab einen steigenden Bedarf an Pferden. Auch sie selbst stand auf der Warteliste. Aber das waren jetzt nicht die vordringlichsten Fragen. Caitlin schob diese unpassenden Gedanken beiseite.
»Weiß man schon, wer sie geschickt hat?«, fragte sie.
»Noch nicht«, gab Dalby zu. »Aber der Bursche, den Sie uns lebend überlassen haben, hilft bei unseren Ermittlungen.«
»Wenn Sie ›wir‹ sagen, dann meinen Sie …«
»Unser Büro«, sagte Dalby. »Und Ihres.«
»Okay«, sagte Caitlin. Das bedeutete also, dass Dalby von Echelon hierhergeschickt worden war.
»Da wären wir also«, erklärte er, als sie um eine weitere Ecke gebogen waren und vor einem privaten Krankenzimmer angelangt waren. Ein weiterer Mann in einem Anzug mit einer deutlichen Ausbuchtung unter dem Jackett, der wesentlich größer und kräftiger war als Dalby, nickte ihnen zu und öffnete die Tür.
»Sie haben eine Minute Zeit«, sagte Dalby leise. »Wenn ich das richtig sehe, schläft Ihre Tochter im Augenblick, und Mr. Melton steht unter dem Einfluss eines leichten Beruhigungsmittels.«
Caitlin bedankte sich und ging am Wachposten vorbei. Ihr Herz schlug jetzt deutlich schneller. Das Zimmer war groß und hell. Durch die Fenster konnte man über frisch gepflügte Felder bis hin zu einem kleinen See schauen, der in ungefähr zwei Kilometer Entfernung lag. Monique schlief, wie man es ihr gesagt hatte, aber Bret schaute sie blinzelnd an. Er war total erschöpft, versuchte aber, sich ein Lächeln abzuringen. Sie legte einen Finger an die Lippen, um ihm zu bedeuten, dass er die Kleine nicht wecken sollte. Eine oberflächliche Untersuchung hatte ergeben, dass sie bis auf ein paar Kratzer im Gesicht unverletzt war. Ihr Mann dagegen sah ziemlich fürchterlich aus. Zu den Narben aus dem Irak, den Stichen, die zeigten, wo man ihn an der Schulter zusammengeflickt hatte, und den fehlenden Fingern waren neue Wunden hinzugekommen. Die Überreste seiner Tätowierungen aus seiner Zeit bei den Rangers standen in starkem Kontrast zu seiner blassen Hautfarbe. Er hatte eine Menge Blut verloren draußen
auf dem Feld und sah regelrecht ausgelaugt aus. Caitlins Magen zog sich zusammen, und sie spürte einen metallischen Geschmack in der Kehle.
»Tut mir leid«, sagte er mit krächzender Stimme. »Ich konnte nicht …«
Das Zimmer vor ihren Augen verzerrte sich, als ihr Tränen in die Augen schossen. Sie befahl ihm ruhig zu bleiben, diesmal legte sie einen Finger auf seine Lippen. Sie waren zersprungen und geschwollen, und die Hälfte seines Gesichts war in Mitleidenschaft gezogen. Eines seiner Beine war von oben bis unten bandagiert und hing an einer komplizierten Apparatur aus Drähten in der Luft. Er würde wieder hinken und diesmal vielleicht für immer. Sie hatte ihn immer wegen der gezackten Narbe an seinem Hintern aufgezogen, wo man ihm im Feldlazarett in Kuwait ein Stück Holz herausoperiert hatte. Auf diese Scherze hatte Bret immer mit lautem Furzen geantwortet, um sie aus dem Bett zu treiben. Nachdem sie den Gestank mit den Händen weggewedelt hatte, war sie stets lachend zu ihm zurückgekommen und hatte anschließend etwas anderes gefunden, womit sie ihn ärgern konnte.
Jetzt schien das alles überhaupt nicht mehr witzig zu sein.
»Sei still«, flüsterte sie. »Du hast das alles großartig gemacht, Liebling. Fünf bewaffnete Typen, und du hattest keine Waffe bei dir. Du hast Monique beschützt, und ihr seid beide lebend rausgekommen. Das ist alles, was zählt.«
Melton presste die Lippen aufeinander und zwang sich, die Augen zu schließen. Er schüttelte ein einziges Mal heftig den Kopf.
»Ich hätte eine …«
»Ruhig jetzt.« Sie strich sanft über sein dichtes braunes Haar und blinzelte, um die Tränen in den Augen loszuwerden. »Jetzt ist wirklich nicht der Moment, dass du dir Vorwürfe machst. Wenn ich einen anderen geheiratet hätte,
dann wäre ich jetzt Witwe, und meine Tochter wäre mit meinem Mann zusammen umgekommen. Es ist wirklich großartig, dass du es geschafft hast, sie zu retten.«
»Aber ich hab sie nicht gerettet«, stieß Bret hervor. »Wenn du nicht rechtzeitig gekommen wärst …«
Caitlin schüttelte den Kopf.
»Das weißt du doch
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