Das verlorene Land
zwischen der Route 75 und der Farm-to-Market-Nebenstraße. Sie verließen das schützende Blätterdach und wandten sich nach Norden, wo das letzte Licht der Sonne auf einen kleinen Teich am Rand der Farm fiel. Hier tränkten sie ihre Tiere. Nicht weit entfernt heulte ein Hund oder ein Wolf, was die Pferde nervös machte, die ihre Ohren spitzten und horchten, wo die mögliche Bedrohung lauerte. Die Hunde waren sofort alarmiert, fletschten die Zähne und knurrten. Ihre Nackenhaare sträubten sich.
»Blue Dog, Red Dog, seid ruhig«, kommandierte Miguel. Er beugte sich vor und tätschelte seinem Pferd den Hals. »Still, Flossie. Nur weil so ein trotteliger Köter Hunger hat, musst du dich noch lange nicht ängstigen.«
Sofia reckte den Hals und schaute sich um und versuchte mögliche Gefahren in der Dämmerung auszumachen. Sie wurde noch angespannter, was Miguel kaum noch für möglich gehalten hatte, als sie ihre Flinte abnahm und durch das Zielfernrohr spähte. Wieder musste Miguel das Bedürfnis niederkämpfen, ihr die Waffe aus der Hand zu nehmen. Es war doch gut, dass sie den Ort, auf den sie zuhielten, genauer in Augenschein nahm.
»Kannst du was sehen?«, fragte er.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Papa. Sieht aus, als wäre die Luft rein.«
»Sehr gut«, sagte er.
Er zog sein Gewehr aus der Satteltasche, strich mit der Hand über den glatt polierten Schaft und widerstand dem
Drang nachzuschauen, ob es korrekt geladen war. Es war nicht gut, wenn man sich von seiner eigenen Nervosität verrückt machen ließ. Jedes Tier und jeder Mensch, der es wagen sollte, sich mit Miguel Pieraro anzulegen, würde schnell den Kürzeren ziehen, vor allem am heutigen Tag. Er richtete sich auf und horchte, während die Pferde sich mit gesenkten Köpfen wieder der Tränke zuwandten. Von dem vermeintlichen Wolf war nichts mehr zu hören. Nach einigen Minuten entspannte sich Sofia. Nachdem die Pferde fertig getrunken hatten, schwang er sich wieder in den Sattel, um das letzte kleine Stück nach Leona zu reiten.
»Hier werden wir unser Nachtlager aufschlagen«, sagte er zu seiner Tochter, nur um irgendetwas zu sagen.
Fast den ganzen Tag lang waren sie schweigend geritten. Nur gelegentlich hatten sie ein paar Worte ausgetauscht, nur wenn es absolut nötig gewesen war.
»Gut«, sagte sie.
»Dieses Dorf dort ist sicher«, sagte er. »Es ist seit dem Großen Verschwinden verlassen. Es gibt keinen Grund für die Road Agents, dorthin zu kommen. Der größte Teil des Ortes ist sowieso abgebrannt. Für Plünderer ist dort nichts zu holen.«
Die Sonne war noch nicht ganz untergegangen, als die letzten Sturmwolken aufbrachen und eine dunkelrot-orangefarbene Kugel inmitten eines violetten und magentafarbenen Hofs enthüllten, die langsam im Westen versank. Einige wenige Vögel zwitscherten und piepsten in den Bäumen, als sie sich langsam dem Rand der Siedlung näherten. Sofia schwieg. Die Wärme, die von der kurz erschienenen Sonne verbreitet worden war, verging rasch, während Miguel die Ruinen des Ortes in Augenschein nahm und nach einem passenden Platz für ihr Lager suchte. Es sah so aus, als ob die Hälfte des Dorfes abgebrannt wäre, als es von der Energiewelle getroffen wurde, und viele der Gebäude waren von Stürmen in Mitleidenschaft gezogen.
Wracks und Müll säumten die beiden Hauptstraßen. Der Fahnenmast vor dem General Store neigte sich vierzig Grad zur Seite, und eine verrostete Metallplatte hatte sich an der Stelle, wo früher die Fahne flatterte, um den Mast gewunden. Das Vordach des Gebäudes war abgebrochen, und die Fenster neben dem Haupteingang des Ladens waren zerborsten. Ansonsten schien das Gebäude einigermaßen in Ordnung zu sein.
»Vielleicht dort«, schlug Miguel vor, als er vom Pferd stieg. Dann führte er die Tiere zu einem Holzzaun, der noch intakt war.
»Hmhm.« Sofia zuckte mit den Schultern, stieg ab und folgte ihm. Miguel verzog das Gesicht, als er Flossie und die Lastpferde anband. Dann nahm er das Gewehr aus der Satteltasche und näherte sich vorsichtig dem Gebäude, das einmal der Dorfladen gewesen war. Nach ein paar Schritten hielt er inne und machte Sofia ein Zeichen, dass sie ihre Remington anlegen sollte. Sie legte die Flinte an die Schulter und wartete auf weitere Instruktionen. Ihre Augen blieben kalt und leer. Miguel sorgte sich sehr um sie, aber er musste jetzt weitermachen. Er pfiff leise nach den Hunden und schickte sie voran. Die Hunde gingen los, schnüffelten und stellten die Ohren
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