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Das verlorene Land

Das verlorene Land

Titel: Das verlorene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Birmingham
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sagte sie beinahe vorwurfsvoll. »Ich mag nicht gern allein da drin sein.«
    »In Ordnung«, sagte er. »Schau doch mal nach den Pferden, dann kümmere ich mich ums Frühstück.«
    Sie schien dankbar zu ein, dass sie etwas tun durfte. Wenn ihre Nacht genauso verlaufen war wie seine, dann würde sie für jede Ablenkung dankbar sein. Die Pferde waren eine Möglichkeit. Bis sie gestriegelt, ihre Hufe gesäubert und ihre Beine massiert waren, wäre eine gute Stunde vergangen.
    »Nimm die Hunde mit, und vergiss die Flinte nicht«, sagte er. »Ich gehe nicht weit weg.«
    Sie umarmte ihn kurz und heftig, als sie an ihm vorbeiging, worauf es Miguel ein klein wenig besserging. Er musste zugeben, dass er ihre eiskalte, gefühllose Fassade von gestern unerträglich gefunden hatte.
    Miguel kehrte in den Laden zurück. Er wollte den Keller genauer durchsuchen, bevor er mit der Zubereitung des
Essens begann. Die Vorratskammer schien eine wahre Fundgrube zu sein, aber sie mussten sich genau überlegen, was sie wirklich brauchten. Sie konnten keinen Wagen beladen, und selbst wenn es so gewesen wäre, würde viel Gepäck sie langsam machen. Und er war fest davon überzeugt, dass sie diese Gegend so schnell wie möglich verlassen mussten, um Sofia vor den Road Agents in Sicherheit zu bringen.
    Miguel erschauerte, als er erneut den Laden betrat. Die Überreste der Menschen hatten ihn gestern Abend nicht weiter gestört, aber nun, bei Tageslicht, lief es ihm kalt über den Rücken, und er bekam eine Gänsehaut, als er die schrecklichen kleinen Haufen sah. Er empfand den Gedanken an die Menschen, die die Energiewelle vernichtet hatte, als beklemmend. Der Anblick der herumliegenden Kleidungsstücke, die mit den schwarzen Resten verklebt waren, machte ihm Angst, als fürchtete er, sie könnten jederzeit wiederauferstehen und ihn anklagen, weil er noch lebte, während sie sterben mussten.
    Miguel versuchte, diese abergläubische Angst abzuschütteln, aber es gelang ihm nicht. Er konnte auch die Bilder seiner nächtlichen Alpträume nicht loswerden. Normalerweise wäre das Licht des Morgens jetzt durch die hohen Glasfenster des Ladens hereingekommen und hätte den ganzen Raum erhellt, aber der abgeknickte Teil der Überdachung warf einen schrägen Schatten über den hinteren Teil des Ladens in jenen Bereich, den er gestern Abend im Dunkeln noch ohne Angst durchquert hatte.
    »Madre de Dios«, murmelte er vor sich hin und vergaß für einen kurzen Augenblick, dass er seine Familie immer wieder ermahnt hatte, in allen Lebenslagen Englisch zu sprechen. »Reiß dich zusammen, du Dummkopf«, wies er sich zurecht.
    Trotzdem konnte er nicht anders, als einen Blick über die Schulter zu werfen, dorthin, wo die Hunde saßen und
auf Sofia aufpassten, die auf der Straße im warmen Licht des Morgens gerade sein Pferd striegelte. Sie schienen überhaupt nicht verängstigt zu sein. Nun war er zwar kein dummer Bauer, der an Geister glaubte, aber es beruhigte ihn doch, als er sich erinnerte, dass mal jemand gesagt hatte, dass Hunde eine besondere Verbindung zur Welt der Geister hätten und zu jenen, die durch Zufall oder einen Unfall in der Schattenwelt zwischen dem Diesseits und dem Jenseits existierten. Falls es in diesem verlassenen Laden hier Geister gab, dann hätten Blue Dog und Red Dog sie schon bemerkt. Aber sie saßen ganz zufrieden dort drüben und warteten darauf, Hundefutter aus der Dose oder Dörrfleisch gefüttert zu bekommen.
    Er bezwang den Drang, aus dem Schatten ins grelle Tageslicht zu treten, schob sein kurzes Gewehr in das übergroße Halfter an seiner Hüfte und ging weiter. Durch in die Krypta.
    Er blieb stehen.
    Wieso hatte er dieses Wort gebraucht?
    Dies war zweifellos die letzte Ruhestätte für die sterblichen Überreste derjenigen, die hier vor drei Jahren mit einem Mal verschwunden waren. Aber trotzdem war dieser Ort nicht verflucht oder wurde von irgendetwas heimgesucht. Es war einfach nur ein Gebäude, das immer baufälliger wurde, aber immerhin eines, das ihm Schutz geboten und Verpflegung geliefert hatte. Hier spukte es nicht. Diejenigen, die hier umgekommen waren, hatten sich verflüchtigt und kamen nicht mehr zurück.
    Wieder lief es ihm kalt den Rücken runter, wieder spürte er, wie er eine Gänsehaut bekam. Sogar sein Hintern erzitterte, als seine Angst den ganzen Körper erfasste.
    Er blieb ruhig stehen, am Rand eines verlassenen Grabes, aus dem die Dunkelheit aufstieg wie Nebel aus den zurückweichenden Schatten im

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