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Das verlorene Land

Das verlorene Land

Titel: Das verlorene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Birmingham
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in die Ferne, während die beiden Überlebenden des Pieraro-Clans ihren kleinen Disput ausfochten. Miguel sah seine Tochter nicht böse oder vorwurfsvoll an. Tatsächlich war er stolz auf sie, weil sie eigenhändig Rache üben wollte. Aber auch wenn das harte Leben auf der Farm sie, gemessen an ihrem Alter und ihrem Geschlecht, stark und widerstandsfähig gemacht hatte, war sie doch im Innern ein kleines Mädchen geblieben. Und er würde alles tun, um den letzten Rest von Unschuld in ihr genauso zu schützen wie ihr Leben. Sie protestierte heftig und schmollte, aber er starrte sie nur unerbittlich an und wartete darauf, dass sie klein beigab. Nach einiger Zeit stöhnte sie genervt auf, wie es typisch war für einen Teenager, machte ein theatralisches
Gesicht und stiefelte schließlich davon, wobei sie laut lamentierte, wie unfair und ungerecht das sei.
    Miguel zuckte mit den Schultern.
    »Wir müssen nach Norden. Es ist ein gefährlicher Weg, den wir da einschlagen, vor allem für Sofia. Wenn Sie uns helfen, durch Blackstones Gebiet zu kommen, dann helfen wir Ihnen. Ist das ein faires Angebot?«
    Die Hunde schnüffelten an den Füßen der beiden Männer und wedelten mit den Schwänzen. Für sie schienen die Neuankömmlinge akzeptabel zu sein. D’Age sah wesentlich mitgenommener aus als sein Begleiter, was kein Wunder war, wie Miguel klarwurde, denn die Banditen hatten ihm seine Verlobte weggenommen.
    »Warum glauben Sie, dass diese Kerle in Crockett bleiben?«, fragte er.
    Sofia ergriff das Wort, bevor Miguel etwas sagen konnte.
    »Damit sie die Frauen vergewaltigen und ihre Beute genießen können«, sagte sie. »Das haben sie auch mit Mama gemacht.«
    Miguel wurde schlecht. Er hatte gehofft, Sofia davor bewahren zu können.
    »Komm jetzt«, sagte er zu ihr. »Wir haben viel zu tun.«

18
    New York
    Manche Leute hatten einfach Glück, aber Ryan Dubois gehörte nicht zu ihnen. Eine explodierende Granate zerriss ihn in drei große Fetzen verbrannten Fleisches und hätte Julianne beinahe durch ein Ladenfenster geschleudert, das sowieso schon zerschmettert war. Sie taumelte durch die Luft, völlig losgelöst und erinnerte sich an einen Tag ihrer Kindheit, als sie sich beim Trampolinspringen den Arm ausgekugelt hatte. Ihr Zeitgefühl dehnte sich wie ein Gummiband und – zack! Schon nahm das Geschehen wieder Geschwindigkeit auf, und sie wurde erfasst von einem wilden Wirbel greller Farben und Schmerzen und dem lautesten Donnerschlag, den sie je gehört hatte.
    Sie schrie laut auf, als irgendetwas Hartes und Unnachgiebiges gegen eben diese Schulter prallte und sie mit einem grässlichen Knacken zerbrach. Sie rollte über den Holzboden, und mit jeder Umdrehung flammte eine regelrechte Supernova von Schmerzen in ihrem Rücken und an der Seite auf. Dunkle Schattenblumen erblühten vor ihren Augen, und sie musste alle Kraft aufwenden, um nicht ohnmächtig zu werden. Der Aufprall nahm ihr alle Luft und machte es fast unmöglich, zu Atem zu kommen, als hätte sie einen Schlag in die Magengrube bekommen. Sie versuchte, sich vom Boden hochzustemmen, brach zusammen und schrie erneut auf, als glühend heiße Schmerzen sich durch die eine Seite ihres Körpers bohrten. Draußen auf der Straße peitschten Granaten und Raketen herab
und detonierten mit donnerndem Getöse, und sie war sich ziemlich sicher, dass Rhino das nicht überlebt hatte. Wahrscheinlich ist er genau wie der arme Ryan tot, zerfetzt von Hochgeschwindigkeitsgeschossen, dachte sie, als er unerwartet neben ihr auftauchte. Seine dreckigen, blutverschmierten Stiefel zertraten eine kleine Glasfigur nur wenige Zentimeter vor ihrem Gesicht, als er sich hinkniete, um ihr aufzuhelfen. Sie versuchte laut aufzuschreien, um ihn zu warnen, dass sie schlimm verletzt war, aber er hatte seine Arme schon um sie geschlungen und zog sie vom offenen Fenster weg, bevor sie protestieren konnte. Der Schmerz war überwältigend, unerträglich, ihr wurde entsetzlich übel, und sie wurde für einige Minuten ohnmächtig, als dunkelrote dicke Wolken wie einsickernde Tinte ihr Blickfeld überdeckten. Ein weiterer weiß glühender Schmerz irgendwo in ihrem gepeinigten Körper riss sie wieder an die Oberfläche des Bewusstseins und hinein in eine Welt des Todes und des Grauens und des hemmungslosen Weinens eines kleinen Kindes.
    Einige Sekunden später wurde ihr klar, dass sie selbst das kleine Kind war und Rhino irgendetwas mit ihrer Schulter gemacht hatte. Sie spürte einen Stich in ihrem Hals,

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