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Das verlorene Land

Das verlorene Land

Titel: Das verlorene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Birmingham
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Canyon der Mercer Street, die einmal eine ihrer Lieblingsstraßen in dieser Stadt gewesen war, wurde vom orangefarbenen Glanz zahlloser kleinerer Brandherde erleuchtet. Ein leichter Regen, eher ein rußiges Nieseln, fiel herab und verwandelte den Schmutz in eine zähe Masse aus Asche und giftigen Chemikalien.
    Sie gingen die mit Kopfstein gepflasterte Straße entlang und bahnten sich den Weg durch ein Gewirr aus umgefallenen
Baugerüsten und zerstörtem Mauerwerk. Ein großer Container aus Stahl blockierte den Weg in der Nähe einer Boutique, an die sie sich vage erinnerte. Hier hatte sie im Jahr 2000, kurz nach den Feiern zum Jahrtausendwechsel, eingekauft. Der Container war durch die Luft geschleudert worden und lag nun schräg vor ihnen, das eine Ende gegen den ersten Stock der Boutique gelehnt. Er war in der Mitte eingedellt und versperrte ihnen den Weg.
    »Gehen wir da durch«, sagte Rhino und deutete mit einer der P90-Pistolen in den Laden. »Wir sollten die Hauptstraßen meiden. Hinter den Gebäuden müsste eine Seitenstraße oder so was sein. Die sollten wir benutzen, um weiterzukommen.«
    Jules murmelte ihre Zustimmung, war aber vor allem damit beschäftigt, nicht zu stolpern und ihren Arm zu schonen. Sie kletterten durch ein Fenster in einen Haushaltswarenladen und bahnten sich den Weg zum hinteren Teil des Gebäudes. Zunächst spendeten die draußen brennenden Feuer genügend Licht, dann schaltete Rhino die Lampe ein, die er auf einer seiner Maschinenpistolen befestigt hatte. Ein Kampfjet jaulte über sie hinweg, während sie den Hinterausgang suchten, dann hörten sie das rhythmische Donnern einer Flugabwehrkanone. Sie hatte gehört, dass die Piraten solche Waffen auf Lastwagen montiert hatten, und sich gefragt, ob an den Gerüchten etwas dran war. Sicherlich war das Straßennetz der Stadt kaum befahrbar, weil überall die Wracks der Autos herumlagen, die gegeneinander gekracht waren, nachdem sie durch die Energiewelle ihre Fahrer verloren hatten.
    »Hier geht’s lang«, sagte ihr Begleiter, als eine schwere Sicherheitstür aus Stahl im Schein der Lampe auftauchte. »Treten Sie mal zurück, Miss Julianne.«
    Sie ging aus dem Weg. Er betätigte den Verschlusshebel und schob vorsichtig die Tür auf. Kein Gewehrfeuer
peitschte ihnen entgegen, und Rhino schlüpfte nach draußen.
    »Alles klar«, sagte er kurz darauf, und sie folgte ihm in den schmierigen kalten Regen, der in die schmale Gasse zwischen den Gebäuden hinter der Mercer Street fiel. Julianne versuchte, sich daran zu erinnern, welche Straße hinter der gegenüberliegenden Häuserreihe parallel zur Mercer Street verlief, aber es fiel ihr nicht ein. In dieser Gasse herrschte wie üblich weniger Durcheinander als in den Hauptstraßen. Einige Fahrzeuge standen hier und da herum, aber sie waren 2003 hier ordentlich abgestellt worden, als ihre Fahrer die Läden belieferten. Die Schmuggler hatten ziemlich schnell herausgefunden, dass man diese versteckt liegenden, wenig frequentierten Gassen sehr gut nutzen konnte, um die umkämpfte Insel von Manhattan zu durchqueren. Als sie als freiwillige Helferin mit dem Räumungstrupp hier angekommen war, hatte Julianne sich gefragt, ob die U-Bahn-Tunnel nicht einen guten Fluchtweg aus der Grünen Zone darstellten. Nachdem sie einige Erkundigungen eingezogen hatte, war sie jedoch davon abgekommen. Schon einen Tag nach dem Großen Verschwinden waren die ersten Tunnel überschwemmt worden, und nach eineinhalb Tagen war das gesamte U-Bahn-System geflutet. Ein paar Ingenieure der Räumungsfirma hatten ihr, nachdem sie ihnen ein paar Drinks spendiert hatte, erklärt, dass Manhattan einmal eine natürliche Insel gewesen war, die von vierzig verschiedenen Flussläufen durchzogen wurde. Die existierten schon längst nicht mehr, aber nun funktionierte das von Menschenhand angelegte Labyrinth von Abflüssen, Kanälen und Drainagen nicht mehr, weil die Pumpen ausgefallen waren. Deshalb verwandelte sich der Untergrund wieder in das sumpfige Marschgebiet, das es einst gewesen war.
    All das kam ihr in den Sinn, als sie durch die hohen Pfützen stapften und das angestaute faulige Grundwasser
aufspritzte, das sich in dem künstlichen Tal zwischen den Häuserschluchten gesammelt hatte. Ratten so groß wie kleine Hunde schwammen im schmalen Lichtkreis der Lampe davon.
    Hatte es nicht mal Alligatoren in den New Yorker Abwässerkanälen gegeben?
    »Sag mal, Rhino«, fragte sie leichthin. »Weißt du, ob der Effekt auch Krokodile und

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