Das verlorene Observatorium
Observatorium
Mutter wandert auf den Treppenabsätzen umher, betritt Wohnungen und verläßt sie dann wieder: Morgen werden die Anstreicher mit ihrer Arbeit fertig sein. Sieh nur die Fußleisten, sieh nur die Fensterbänke. Sieh nur die neuen Decken. Komm mit in Wohnung 2, früher war das unser Salon, wie groß alles war. Schau dort oben: die Decke ist so glatt und weiß. Dort oben waren früher scheußliche Rosen und Blätter in Gips modelliert, das alles ist jetzt weg. Ist es nicht viel besser so? Sauber und weiß, bereit und neu. Alles wartet auf Leben.
Tearsham Park
Vater in Mutters Schlafzimmer in Wohnung 6: Das Hündchen ist heute angekommen. Das Hündchen war meine Idee. Es ist auf meine Initiative zur Genesung meiner Frau angeschafft worden. Der Arzt hielt es ebenfalls für eine gute Idee. Ich sehe deutlich vor mir, wie meine Frau schon sehr bald mit ihm spazierengeht, es füttert und knuddelt. Ich sehe ein neues Leben für meine Frau, inspiriert durch das vergnügte Wackeln eines Hundeschwanzes.
Als Idee war es eine meiner besten. Ich hoffte, daß es funktionieren würde. Ich hoffte, daß meine Frau schon bald ihr Bett aufgeben und ins Leben zurückkehren würde. Und so habe ich den Hund Hope genannt. Ein Halsband wurde gekauft, das Halsband erhielt die Gravur Hope. Hope trug Hope um seinen kleinen Hals und lief ins Schlafgemach meiner Frau und leckte meiner Frau die Hand. Aber meine Frau rührte sich nicht, schaute nicht zu dem Geschöpf hinab, ignorierte sein Kläffen. Ich habe Hope zu ihr ins Zimmer gesperrt.
Das Observatorium
Mutter, die Treppen des Observatoriums hoch und runter: Die Bauarbeiter versprechen mir, daß die Arbeiten in zwei Tagen abgeschlossen sind. Alle Wohnungen haben Türen und Elektrizität und Gas. Es ist so aufregend! Morgen kommen die Schlosser. Sie werden an jeder Wohnungstür Schlösser anbringen, auch an unserer. Es passiert wirklich! Menschen werden hierherkommen. Wirklich. Wirklich.
Tearsham Park
Aufgrund von Vernachlässigung und Langeweile ist der Hund gefährlich geworden. Er ist wild geworden, vertraut den Menschen nicht mehr. Verlassen, eingesperrt, nicht allein, aber einsam, ist er sehr ängstlich geworden. Überall in seinem Schlafzimmer hat er seinen Darm entleert, er hat an der Tür gescharrt, die Bettlaken meiner Frau angefressen. Dann hat er aufgehört zu bellen und verweigerte sogar die Nahrungsaufnahme. Beim Anblick eines aufmerksamen Menschen schreckt er entweder sofort vor Angst zurück oder nähert sich und beißt. Heute wurde das Geschöpf dabei erwischt, wie es an den Händen meiner Frau kaute. Ich habe den Hund vor die Tür gesetzt, er wird nie mehr das Schlafzimmer meiner Frau betreten.
Das Observatorium
Mutter auf den Treppenabsätzen: Die Elektriker sind einfach überall und verlegen Stromleitungen. Die Installateure bauen Heizkörper ein und schließen die Wasserhähne an. Sieh nur, hier ist der Fahrstuhlschacht! Und da ist der Fahrstuhl! Ich drücke einfach auf diesen Knopf hier. Hör nur: Er lebt!
Die Geschichte des Hundes namens Hope
Vater, wieder in seiner Bibliothek in Wohnung 4: Lange Zeit war der Hund vergessen. Aber eines Tages kehrte Hope zu uns zurück, abgemagert mit dem wilden, verfilzten Fell eines Streuners. Er biß nicht mehr, er lief nicht mehr fort, er schnüffelte und trottete dann teilnahmslos weg. Er schien etwas zu suchen, konnte sich aber nicht mehr erinnern, was es war. Alles, worauf er stieß, wurde zurückgewiesen. Er nahm nichts von dem Futter, das wir ihm anboten. Er versuchte, sich an etwas zu erinnern, und diese Anstrengung brachte ihn um.
Zuerst dachte ich, daß er meine Frau suchte, aber später, nach seinem Tod, glaubte ich, daß es ein abstraktes Glück war, das sich ihm entzogen hatte. Er war auf der Jagd nach einem Leben, das er eigentlich hätte haben sollen, das Leben eines Hundes, der von einer Familie geliebt wurde, mit dem man spazierenging, der gefüttert und beschützt wurde und mit dem man Spaß hatte. Hope war nun ein häßlicher Hund, nicht so sehr, was das Aussehen betraf, sondern vielmehr auf andere Art. Es war eine innere Häßlichkeit. Francis wusch und bürstete ihn, schnitt sein dickes, widerspenstiges Fell, aber ihm blieb der unattraktive und unverkennbare Druck einer verzweifelten und allumfassenden Einsamkeit. Wir liebten den Hund namens Hope nicht und konnten ihn auch nicht lieben, schon allein der Gedanke daran machte uns krank. Nach Monaten der Sehnsucht gab er seine Suche schließlich auf.
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