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Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl

Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl

Titel: Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William R. Forstchen
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sein, die sich in alle Richtungen ergoss, sobald sie den Einschnitt im Höhenzug durchquert hatte.
    »Mein Fernrohr ist stärker als Ihr Feldstecher«, sagte Tobias.
    Andrew brauchte einen Augenblick, um sich abzustützen und das ungelenke Teleskop scharf zu stellen. Er richtete es auf die Spitze der Kolonne, und ein verblüfftes Keuchen entfloh ihm.
    Es sah aus wie die Armee aus einem abwegigen Traum. An der Spitze ritten ein halbes Dutzend Männer mit eckigen Bannern an Querstangen. Auf dem Führungsbanner waren gekreuzte rote Schwerter auf weißem Hintergrund abgebildet, und es ähnelte vage einer Gefechtsstandarte der Konföderierten; das nächste Symbol war ein Reiter mit einer Doppelblattaxt darüber. Die übrigen Banner zeigten stilisierte Ikonen, die Porträts von Menschen in einem für Andrews Geschmack fast byzantinischen Stil.
    Die Kavalleristen, die meist dem vorher am Strand gesichteten Späher ähnelten, führten Speere mit. Einige hatten sich Schilde über die Schultern gehängt, und die meisten trugen kegelförmige Helme, hier und da mit flatternden Bändern geschmückt. Etliche Reiter in der Kolonne schienen in grob gefertigten Plattenrüstungen zu stecken. Diese schwer gepanzerten Krieger bildeten eine eng gefügte Gruppe rings um einen beleibten, bärtigen Mann in goldgeprägter Panzerung, der unter der Pferd-und-Axt-Standarte ritt.
    Andrew schwenkte das Glas zu den Schwärmen von Infanteristen herum. Sie sahen nach einem echten mittelalterlichen Kriegshaufen aus und waren mit einer verrückten Sammlung von Speeren, Schwertern, Knüppeln und Heugabeln bewaffnet.
    Andrew sah Tobias an, der seinen Blick wortlos erwiderte.
    »Kapitän – wo in Gottes Namen stecken wir eigentlich?«, flüsterte Andrew.
    »… Ich habe keine Ahnung«, gestand Tobias schließlich.
    »Na, verdammt noch mal, Mann, Sie sollten das lieber schnell herausfinden, denn wir sind verflucht sicher nicht in South Carolina gelandet!«
    Andrew kletterte vom Großmars herunter und sprang aufs Deck, gefolgt von Tobias.
    »Holt Dr. Weiss herauf!«, schrie Andrew und ging zur Reling.
    »Was haben Sie vor, Colonel?«, wollte Tobias wissen.
    Andrew wandte sich ihm zu, aber ihm fehlten einfach die Worte.
    »Können Sie das Schiff wieder flott bekommen?«, fragte er schließlich.
    »Wo bleibt die Flut?«, hielt ihm Tobias flüsternd entgegen und trat dichter an ihn heran. »Falls wir bei Ebbe gestrandet wären, hätten wir vielleicht eine Chance – aber wo bleibt die verdammte Flut? Und außerdem haben wir ein Loch im Rumpf, durch das locker Ross und Reiter passen.«
    »Dann überlegen Sie sich etwas, denn wir möchten verdammt sicher nicht hier bleiben!«
    »Wo immer dieser Ort liegt«, warf Emil ein, als er zu Andrew trat.
    Gemeinsam stiegen sie beide ins Rettungsboot. Noch ehe es den Strand erreicht hatte, sprang Andrew hinaus, gefolgt vom schnaufenden Emil.
    »Was geht vor, Colonel?«
    »Ich möchte, dass Sie sich ansehen, was auf uns zukommt«, antwortete Andrew. »Sagen Sie mir, ob Sie schon jemals etwas Ähnliches zu Gesicht bekommen haben.«
    Er hegte schon einen merkwürdigen Verdacht, verbannte den Gedanken aber gleich wieder; das war einfach zu absurd!
    Er rannte voraus, vergaß für den Augenblick jede Würde, als er zum Eingang der befestigten Stellung stürmte.
    »Hans! Zum Sammeln rufen!«, brüllte er.
    Die Fanfarenstöße des Horns erklangen, begleitet von langsamen Trommelschlägen. Beim ersten Ton lief Andrew bereits ein Schauer über den Rücken. Unvermittelt legte sich die rasende Panik im Herzen; er sah die Lage jetzt kristallklar.
    Die Stellung explodierte von Aktivität. Männer zogen sich rasch die Jacken an, griffen nach den Musketen, schnallten sich die Patronenschachteln um.
    Dem Beispiel der Infanterie folgend, befahl O’Donald, die beiden schon am Ufer befindlichen Geschütze in Stellung zu fahren. Dann führte er sein Kommando hinter den Männern des 35. in Reih und Glied.
    Innerhalb von Sekunden wurde das alte Ritual abgespult, das sie schon Hunderte Male zuvor aufgeführt hatten: die Formation gebildet, die Musketen am Boden abgestützt, die Männer in Reih und Glied aufgestellt. Sobald alle Position bezogen hatten, nahm jede Kompanie Haltung an; die Kompanieführer drehten sich um und nahmen selbst Haltung an, als alles fertig war.
    Stille breitete sich über dem Feld aus, und in dieser Stille hörten sie alle zum ersten Mal ein fernes Geräusch, das jeder Veteran kannte: das Geräusch einer Armee, die

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