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Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl

Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl

Titel: Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William R. Forstchen
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übernehmen.«
    »Es wäre nie dazu gekommen, wären wir hier nicht aufgetaucht«, gab Kathleen leise zu bedenken.
    »Kathleen, ich wünschte mir von Herzen, es wäre anders gekommen. Zu Hause ist jetzt Frühherbst im Jahr 1865. Vielleicht ist dort der Krieg vorüber, aber für uns ist er es nicht. Und ich wage zu vermuten, dass Sie weder Tanja noch sonst einem Menschen hier in die Augen blicken und sich wünschen könnten, sie würden eine weitere Besetzung durch die Tugaren erleben, mitsamt deren Schlachtgruben und Festschmäusen.«
    »Nein, Andrew, das kann ich nicht«, flüsterte sie und drängte sich an ihn.
    »Aber ich sehne mich sehr nach Frieden für mich selbst«, sagte sie traurig.
    »Und irgendwie bin ich für Sie ein Symbol des Krieges. Wieder so ein Offizier, der sich auf die Kunst des Tötens versteht und höchstwahrscheinlich selbst umkommt, ehe alles vorbei ist.«
    Mit großen Augen blickte sie zu ihm auf. Wie konnte er es jemals verstehen?, fragte sie sich. Wie konnte er nur den Schmerz verstehen, den sie verspürte, wenn sie einen geliebten Menschen verlor? Oder den Schmerz, so viele sterben zu sehen? Sie wusste gar nicht mehr, wie oft sie schon die Hand eines Jungen gehalten und ihm glauben gemacht hatte, sie wäre seine Mutter oder Ehefrau oder seine geliebte Tochter, während er in die Dunkelheit glitt.
    Jedesmal war ihr dabei auch ein Stück der eigenen Seele entglitten, und wenn sie Andrew anblickte, dann war ihr klar, dass der Schmerz letztlich zu groß sein würde, wenn sie diesem seltsamen Mann gestattete, ihre Gefühle zu befreien. Dieser Mann konnte so kalt sein, so voller entsetzlicher Kampfeslust, und doch wusste sie im Herzen, was darunter lag. Sie spürte sein verborgenes Grauen über das, was der Krieg aus ihm gemacht hatte. Sie erinnerte sich noch an das erste Mal, als sie ihn an Bord der Ogunquit schlafend erblickte: Die sanften Züge zeigten eine fast kindliche Unschuld, die rasch von der Pein seiner Albträume abgelöst wurde – ein Anblick, bei dem ihr die Tränen ausbrachen. Lag die Quelle seiner Angst, fragte sie sich, sowohl im Krieg als auch in etwas, das, wie sie spürte, vor dem Krieg geschehen war?
    Sie musterte ihn genau, während sie übers Land wanderten. Sie ersehnte sich so viel von ihm, und doch konnte sie nie gestatten, wieder so verletzt zu werden wie schon einmal: sich in diesen Mann zu verlieben, nur um dann den letzten Akt zu erleben, wenn ihr seine Leiche gebracht wurde.
    Sie wandte den Blick ab, und sie gingen etliche Minuten lang schweigend weiter, ließen das offene Land zurück und betraten einen kleinen Wald aus hoch aufragenden Kiefern.
    Auf einmal lag Andrews Hand auf ihrer Schulter, und er drehte sie um, sodass sie ihn anblicken musste.
    »Kathleen, ich denke nicht, dass wir viel Zeit haben«, sagte er ruhig, aber Furcht klang in seiner Stimme mit.
    »Sie meinen das, was auf uns zukommt?«
    Er nickte.
    »Ich darf es niemandem sonst offen sagen«, flüsterte er. »Alle blicken sie mich an, beziehen irgendetwas von mir und glauben, das alles könnte letztlich gelingen.
    Wissen Sie, ich hatte eine Vorahnung an jenem Abend, als wir von City Point losfuhren: eine tief sitzende Angst, dies könnte eine Fahrt der Verdammten werden. Wir hatten schon so viele Menschen umgebracht, und Gott helfe mir, ich dachte, dass unsere Seelen womöglich verbraucht waren. Sehen Sie nur, was aus dem jungen Hawthorne geworden ist. Ich liebe diesen Jungen aufgrund seiner moralischen Kraft, und in vieler Hinsicht ähnelt er meinem jüngeren Bruder …« Er brach ab.
    »Gott helfe mir«, fuhr er dann flüsternd fort, »er hat sich in einen Killer verwandelt wie wir anderen uns auch. Kathleen, Sie wissen sehr gut, dass ein Teil von mir von hier flüchten und sich verstecken wollte. Aber dann musste dieser Kal seine Revolution vom Zaun brechen, und ich konnte doch diese Leute nicht ihrem Schicksal überlassen! «
    »Ihnen blieb nichts anderes übrig«, sagte Kathleen leise.
    »Aber all dieses Gerede«, sagte Andrew, und es klang allmählich erstickt, »all dieses Gerede von Freiheit – welchen Preis müssen wir dafür zahlen! Falls irgendeine Chance

besteht, woran ich zweifle, dann erleben vielleicht Hawthornes Kinder die Freude der Freiheit. Aber Sie und ich und all die Menschen, die ich anführe, sie zahlen den Preis in Leid und sterben auf mein Kommando. Sie ahnen ja nicht, wie das ist, wenn ich in ihre eifrigen Gesichter blicke und dabei weiß, dass ich letztlich den Ofen mit

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