Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl
jedoch weiterhin eine Miene ruhiger Zuversicht, sah seinen jungen Telegrafisten an und nickte.
»Wir verlegen die Leitungen so schnell, wie die Drahtwerke sie liefern«, erklärte Mitchell. »Ich habe bereits von Ihrer Befehlsstelle im Dom aus vier Leitungen zu den wichtigsten Bastionen gelegt. Eine Leitung führt zur Gießerei und Pulvermühle und von dort in die Schaltstelle in Fort Lincoln. Ich bin auch dabei, den Ballon an die Telegrafie anzuschließen, und beginne morgen damit, die Leitungen zur Furt zu verlegen. Hinter der Furt haben wir alle drei Kilometer einen Signalturm errichtet, bis an den Rand der Steppe. So erhalten wir reichlich Vorwarnzeit. Ich lege auch Vorräte an einigen Kilometern Kabel an, die wir im Notfall verlegen können, sobald die Belagerung begonnen hat. Wir haben zwanzig Telegrafisten ausgebildet. Ein paar dieser Suzdalier haben richtig gute Fäuste – einer schafft fast zwanzig Wörter pro Minute.«
»Gute Arbeit, mein Junge! Machen Sie weiter.«
Andrew spornte sein Pferd zum Handgalopp und erklomm so den Rand des Höhenzuges, um von dort den Drillplatz zu überblicken.
»In Ordnung, General Hans: wie halten sie sich?«
Andrew lächelte seinen alten Sergeant an, der neben den alten Streifen eines Sergeant Major inzwischen auch die Sterne eines suzdalischen Generalmajors auf der Uniform trug.
»Hätte nie erwartet, mal ein verdammter General zu werden«, knurrte Hans.
»Na ja, wir alle sind jüngst befördert worden«, stellte Andrew gutmütig fest.
Er konnte sich gut vorstellen, welchen Neid es bei den alten Kameraden zu Hause ausgelöst hätte, von den raschen Beförderungen zu erfahren, die er verteilt hatte: Hans war Kommandeur eines Armeekorps und führte drei Divisionen Infanterie und zwei Bataillone Artillerie. Die Offiziere des 35., die jetzt Befehle von Hans entgegennahmen, und mehrere der übrigen Sergeants machten sich nicht viel daraus, aber O’Donald hatte sich ein bisschen darüber aufgeregt, dass Hans jetzt die Entscheidungen traf. Andrew hegte den Verdacht, dass dieser Streit »hinter der Scheune« beigelegt worden war, denn beide waren eines Tages mit Veilchen aufgetaucht und benahmen sich plötzlich wie dicke Freunde.
Houston und Sergeant Kindred von der E-Kompanie hatten den Befehl über die erste respektive zweite Division erhalten, während Sergeant Barry die dritte führte. Unter ihnen hatten weitere Offiziere die Kommandostellen über die sechs Brigaden und vierundzwanzig Regimenter zu je vierhundert Mann im Feld übernommen. Die vierte Division war inzwischen auch ausgebildet und wartete nur noch auf ihre Waffen, während die fünfte und sechste gerade aufgestellt worden waren. Fast das halbe 35. Regiment hatte Kommandostellen angetreten, aber Andrew wollte einen Kern dieser Truppe als Sammelpunkt erfahrener Soldaten unter seinem direkten Befehl erhalten. Auf Kals Vorschlag hin hatte er eingewilligt, die Ränge mit Veteranen aus der Schlacht um den Pass aufzufüllen, und zweihundert Suzdalier trugen jetzt stolz das Blau der Union.
Die hundertfünfzigtausend weiteren Menschen, die ebenfalls kämpfen sollten, waren zu Milizeinheiten organisiert worden und wurden überwiegend von Suzdaliern geführt. Etliche Edelleute und viele ihrer alten Gefolgsmänner befehligten diese Einheiten jetzt unter Kals Oberkommando.
Andrew setzte sich in den Sattel zurück und sah sich an, wie die Brigade, die nur Augenblicke zuvor Salvenfeuer abgegeben hatte, jetzt den Schwenk von der Frontlinie zur rechten Flanke übte.
Die rechte Flanke blieb dabei stehen, während die Doppelreihe der tausendsechshundert Mann, die über weit mehr als zweihundertfünfzig Meter ausgedehnt war, sich wie ein riesiges Tor drehte; die blauen Regimentsflaggen und weißen Nationalfarben knatterten im frischen Wind. Zur linken Flanke hin wurde die Reihe unregelmäßig, wo die Männer in doppeltem Tempo laufen mussten, und die fernen Rufe ihrer Befehlshaber klangen übers Feld.
»Nicht schlecht«, sagte Andrew ruhig. »Gar nicht schlecht, Hans.«
»Könnte verdammt viel besser sein!«, knurrte der Sergeant, aber Andrew bemerkte doch, wie stolz sein alter Lehrer auf die neue Truppe war.
»Nur haben sie noch nichts unter Feuer geleistet«, fuhr Hans nachdenklich fort. »Dann finden wir wirklich heraus, was sie taugen.«
Ein Schrei aus der Ferne unterbrach ihre Gedanken, und als Andrew zur Stadt zurückblickte, sah er einen Kurier von dort herangaloppieren und wild auf sein Pferd einschlagen,
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