Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl
Schützengräben vor Petersburg hatten Andrew und seine Männer gelehrt, wie man sich eingrub, und unter ihrer Anleitung war ein solider Erdwall entstanden, der um die ganze Stadt lief. An jeder Ecke ragte eine Bastion noch drei Meter über den Wall auf. Jede davon konnte mit den Vorräten an Munition und Lebensmitteln in ihren Bunkern noch durchhalten, wenn sie schon abgeschnitten war. Die Reiter passierten schließlich das stark befestigte Nordtor und überquerten die Brücke über einen zehn Meter breiten, trockenen Burggraben. Vor dem Tor war das offene Gelände bedeckt mit unzähligen Reihen zugespitzter Holzpflöcke, Dornenverhaue und Trittlöcher.
Andrew zügelte das Pferd am Rand der Schienenstrecke, als ein Zug vorbeidonnerte. Malady, der am Dampfhebel ihrer neuesten Lokomotive stand, der Bangor, tutete einen Gruß, als der Zug vorbeibrauste und Kurs auf die Mühlen nahm.
»Hier draußen ist der Schauplatz, auf dem die Entscheidung fallen wird, meine Herren«, sagte Andrew ruhig und deutete auf die Abwehrschanzen. »Ich habe vor, die Tugaren oben an der Furt und weiter hinten an den Pässen nur einen oder zwei Tage lang aufzuhalten. Aber hier werden wir sie brechen.«
Andrew unterbrach sich und sah sich um, als Wagen mit der ersten Ernte auf dem Weg in die Stadt vorbeirumpelten.
»Wie halten wir uns, Fletcher?«
Der beleibte Captain kam an seine Seite und betrachtete erst eine Sekunde lang die Äpfel, die gerade in einem Wagen vorbeikamen. Er schnappte sich zwei davon und reichte einen Andrew, der einen Bissen probierte.
»Ein Teil der Weizenernte ist endlich in den Getreidemühlen eingetroffen, aber es dauert immer noch Wochen, alles aus den äußeren Bezirken heranzukarren. Ich habe mehrere tausend Stück Rindvieh und doppelt so viele Schweine südlich der Stadt eingepfercht. Bei den ersten Anzeichen eines Angriffs treiben wir sie in die Stadt und schlachten sie.«
»Aber wie viel haben wir schon sicher eingebracht?«, wollte Andrew wissen.
»Ausreichend Nahrung für sechzig Tage«, antwortete Fletcher ruhig. »Es dauert noch zwei Monate, bis wir genug Vorräte für den ganzen Frühling und bis zum Beginn der nächsten Erntezeit angelegt haben. Sie müssen einen Krieg führen, Sir, und ich muss sicherstellen, dass wir im Fall eines Sieges noch genug zu essen haben, um bis zum darauf folgenden Sommer zu überleben.«
»Ich verstehe, Bob«, sagte Andrew gelassen. »Bleiben Sie einfach dran.
Mina?«
Der erschöpft wirkende Major trat an Andrews Seite.
»Wir sind derzeit bei dreihundert Musketen pro Tag, Sir, und haben bislang etwas über zehntausend produziert«, begann der Offizier seine Ausführungen und klang distanziert, beinahe mechanisch. »Wir schaffen auch zwanzig Langbüchsen pro Tag und verfügen bislang über etwas mehr als fünfhundert dieser Waffen. Falls ich zwei weitere Monate Zeit erhalte, schaffe ich es womöglich gar, mehr Gewehre als Musketen herzustellen.«
»Ich kann Ihnen diese Zeit nicht versprechen, John«, sagte Andrew ruhig.
»Wie steht es mit den Geschützen?«, wollte O’Donald wissen.
»Inzwischen drei Vierpfünder pro Tag. Die Gussformen für ein paar Neunpfünder stehen auch, aber die Fertigstellung dauert noch zwei Wochen. Bislang neunzig Geschütze.«
»Und die übrigen Vorräte?«, erkundigte sich Andrew geduldig, der sehr gut wusste, dass sein Nachschubchef schon lange nervlich erschöpft war.
»Nun, ah, Sir, wir sind gerade dabei, die letzte Fuhre Blei einzuschmelzen. Ich habe nahezu vier Millionen Musketenkugeln vorrätig, hunderttausend Schuss für unsere eigenen Gewehre und zwanzigtausend Artilleriegeschosse. Wir produzieren derzeit hunderttausend Schuss pro Tag und fünfhundert Artilleriegeschosse. Das Problem liegt darin, dass die Pulvermühle bereits ihren maximalen Ausstoß erreicht hat – sie ist unsere Schwachstelle. Wir bräuchten mehr als eine Tonne Schwefel täglich, um den Bedarf zu decken, und so viel kriegen wir einfach nicht. Ansonsten könnte ich mehr schaffen.«
»Sie leisten gute Arbeit, John. Ich bin stolz auf Sie – niemand sonst hätte das geschafft.« Der Major nickte zur Antwort nur vage.
Und es reicht nicht!, dachte Andrew grimmig. Es ist nicht die Hälfte dessen, was wir brauchen. Bei Gettysburg hatten seine Männer in vier Stunden über hundert Kugeln pro Mann verschossen. Vier offene Schlachten würden nahezu alles verbrauchen, was bislang vorrätig war. Sie brauchten Zeit, sie brauchten dringend mehr Zeit!
Andrew zeigte
Weitere Kostenlose Bücher