Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl
beiden Menschen hinaus zur Schlachtgrube zu zerren.
Zumindest essen wir heute Abend gut, dachte sich Muzta.
Während er geistesabwesend auf dem herausgebrochenen Mark eines Viehknochens nagte, dachte er an das Volk der Rus in seinen hölzernen Städten und spürte einen Kitzel der Vorfreude. Er bevorzugte ihr Fleisch, das weit besser war als bei dem Vieh, das sie auf dem Weg dorthin antreffen würden. Ihr Fleisch schien feinere Fasern aufzuweisen. Lächelnd nahm er auf seinem Thron Platz, während Diener Scheiben gerösteter Viehgliedmaßen als Eröffnungsimbiss hereinbrachten, während die durchdringenden Schreie des Hauptgangs, der im Begriff stand, geschlachtet zu werden, die Luft zerrissen.
Kapitel 4
Während er sich bemühte, ein Gähnen zu unterdrücken, blickte sich Andrew im Saal um. Er hatte eine Nacht ohne Schlaf hinter sich, verschlimmert noch durch einen Kater, der ihm das Gefühl gab, die Schläfen könnten jederzeit explodieren.
Ursprünglich hatte er eine einfache, unkomplizierte Begegnung mit Iwor erwartet; er hatte geglaubt, man würde zu einer Übereinkunft gelangen und er könnte in sein Lager zurückkehren. Das war Fehler Nummer eins.
Zuerst war ein großes Festmahl aufgetragen worden. Es war gar nicht so schlecht – fast alles war besser als die Speisen in der Regimentsmesse –, aber es zog sich stundenlang hin, sodass er schon das Gefühl bekam, er würde einer Ausdauerprüfung unterzogen.
Zunächst tischte man gebackenen Fisch und Aale auf und ging dann über zu Schnitten von Schweinefleisch, geröstetem Hammel und etwas, das nach Fasan aussah. Aber das war nur der Anfang. Mit großem Gepränge und Fanfarenstößen trug man einen kompletten gerösteten Bären in die Festhalle, immer noch in sein Fell gewickelt, den eine Grimasse schneidenden Kopf auf einer Silberstange über dem Rumpf montiert. Das war hart zu verkraften, denn Andrew liebte Bären von jeher, und obwohl in den Wäldern von Maine aufgewachsen, hatte er sich nie dazu überwinden können, Jagd auf Bären oder irgendwelche anderen Kreaturen zu machen.
Ein Gefühl unterschwelliger Spannung lag allem zugrunde, während die über fünfzig Adligen an der Tafel ihn mit offenem Argwohn musterten und Kal mit seinen begrenzten Fähigkeiten zu erläutern versuchte, was die Leute sagten.
Der zweite Fehler war jedoch der Wodka. Eine Runde nach der anderen wurde gekippt, und Kal beharrte darauf, dass Andrew in gleicher Weise reagieren musste, oder die Adligen würden ihn nicht als richtigen Mann einstufen.
Er wünschte sich, er hätte irgendwie Schuder an seiner Stelle trinken lassen können. Der alte Sergeant hätte sie alle unter den Tisch gesoffen. Andrew blieb schließlich nichts anderes übrig, als jeweils nur zu nippen, während ein Trinkspruch nach dem anderen ausgebracht wurde, und die Adligen glucksten unverhohlen über seine Schwierigkeiten.
Emil jedoch zog alles in weltmännischem Stil durch und hielt Gleis für Glas mit, brachte schließlich selbst eine Anzahl Trinksprüche aus, bis die ganze Versammlung in trunkenem Elend versank.
Wenn der gute Doktor ihm doch nur eine Wunderkur für diesen verdammten Kater hätte verpassen können, dachte Andrew jetzt verdrossen, als er aufstand und sich streckte.
Wenigstens Emil konnte schlafen, und Andrew blickte zu seinem Freund hinüber, der lang ausgestreckt auf dem Feldbett ihm gegenüber lag. Der Luxus des Schlafs war jedoch etwas, was er sich selbst nicht gestatten wollte. Diese ganze Veranstaltung konnte eine Falle sein. Er hatte darauf bestanden, dass Schuder und die Soldaten auf dem Hof vor seinem Fenster untergebracht wurden, wo sie die ganze Nacht hindurch Wache schoben -jeweils die Hälfte schlafend, die andere halb wach. Andrew selbst hielt sich bis zur Morgendämmerung wach, den Revolver in der Hand.
Womöglich wartete Iwor nur darauf, dass Andrew in seiner Wachsamkeit nachließ. Mehr noch als Ivor bekümmerten ihn allerdings der schwarzbärtige Krieger Mikhail und jener Mann, bei dem es sich laut Kal um den Priester Rasnar handelte, der kurz beim Festmahl aufgetaucht war. Vielleicht konnte Andrew sich mit dem Bojaren auf etwas einigen, aber auf dem Schachbrett standen noch mehr Figuren, gegen die er spielen musste, falls er und seine Leute hier überleben wollten.
Ein leises Stöhnen drang unter dem Haufen Decken in der Ecke hervor.
»Ich schwöre bei Gott, dass ich nie wieder trinke!«
Ein bleiches Gesicht tauchte auf, und blutunterlaufene Augen blinzelten,
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