Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl
schüttelten ungläubig die Köpfe, andere betrachteten ihn einfach voller Ehrfurcht.
»Ilja, der Bruder meiner Mutter«, sagte Kal, »möchte wissen, was passiert, wenn ein schlechter Mensch euch einfach auslacht, sich weigert, nach Hause zu gehen, und sich einfach einen Palast erbaut, in dem er dann lebt.«
Es wurde still.
Hawthorne blickte sich in der Versammlung um.
»Falls sich ein solcher Mensch gegen die Wünsche des Volkes stellte, würden wir ihn ins Gefängnis stecken.«
Ilja lachte und gab eine kurze scharfe Antwort.
»Und falls er nicht ins Gefängnis ginge, nachdem Ihr ihn so nett darum gebeten habt, und Soldaten bezahlte, damit sie ihn schützen – was dann?«
»Wir würden ihn töten«, sagte Hawthorne leise und mit gesenktem Blick.
»Bauern töten Bojaren?« Ilja schnaubte angewidert. »Die Kirche würde Euch in die Hölle schicken.«
»Die Kirche hat in unserem Land keine Macht. In Amerika kann man zu Gott, zu Perm oder Kesus beten, zu wem immer man möchte. Falls in Amerika ein Priester versucht, die Menschen daran zu hindern oder sie zu zwingen, dass sie die Art ihres Betens verändern, dann landet er im Gefängnis.«
»Unmöglich!«, brüllte Ilja.
»Dann besichtigt unsere Stadt«, sagte Hawthorne gelassen. »Im Zentrum findet Ihr drei verschiedene Kirchen. Eine nennen wir methodistisch, eine weitere presbyterianisch, und die dritte dient Menschen, die sich Katholiken nennen. Ich gehöre wieder einer anderen Kirche an, die man die Quäker nennt. Da ich hier der einzige Quäker bin, bete ich allein, und niemand, der einer anderen Kirche angehört, kann mich daran hindern. Falls es einer versuchte, würde unser Anführer Keane ihn zwingen, damit aufzuhören.«
Die Männer im Raum blickten einander an, und Ilja gab nach und murmelte finster. Als dann Andrews Name ausgesprochen wurde, fiel Hawthorne auf, dass sich mehrere Männer jeweils an den linken Ärmel fassten und aufgeregt redeten.
»Erzähl ihnen jetzt von eurem Lincoln«, sagte Kal rasch, »und von dem Krieg für die Befreiung der Bauern.«
»Lincoln ist der größte Anführer, den unser Volk je hatte«, begann Hawthorne und erwärmte sich gleich für das Thema. »Er war ein Bauer wie ich und wie ihr alle hier. Die Menschen meines Landes erkannten seine Weisheit und wählten ihn zu ihrem Anführer.
Nun gab es im Land auch einige Leute, die weit im Süden lebten. Sie glaubten nicht daran, dass alle Menschen gleich wären. Also fuhren sie in ferne Länder und nahmen Menschen mit schwarzer Haut gefangen und machten sie zu Sklaven, damit sie für sie arbeiteten.«
»Schwarzhäutige Menschen?«, fragte Nahatkim.
»Das stimmt. Sie sind Menschen wie du und ich; der einzige Unterschied besteht darin, dass Gott ihnen schwarze Haut gab anstelle von weißer.
Die Menschen im Süden«, fuhr Hawthorne fort, »waren nicht bereit, diese üble Praxis zu beenden, und so brach ein gewaltiger Krieg in unserem Land aus. Die Menschen im Süden sagten, sie gehörten nicht mehr zu Amerika und wollten die schwarzen Menschen als Sklaven behalten. Aber Lincoln sagte, das sei falsch. Und so stellte das Volk des Nordens große Armeen auf und marschierte nach Süden, um die Schwarzhäutigen zu befreien und die Menschen des Südens daran zu hindern, dass sie das freie Land Amerika zerstörten.«
Hawthorne legte eine Pause ein; er wusste sehr gut, dass sein entschieden abolitionistischer Standpunkt zum Krieg bei einigen Kameraden Debatten ausgelöst hätte, aber er fand trotzdem, damit die richtige Position zu haben.
»Menschen wie Ihr kämpften darum, andere Menschen zu befreien«, fragte ein junger Mann mit schütterem schwarzem Bart, »obwohl sie nicht selbst von Sklaverei bedroht waren?«
»Die Sklaverei ist ein Übel«, sagte Hawthorne ruhig. »Lincoln sagte: Falls man duldete, dass auch nur ein Mensch zum Sklaven gemacht wird, dann wäre die Freiheit aller bedroht.«
»Und Ihr würdet einen anderen töten, um dergleichen zu beenden?«, fragte Nahatkim leise.
Hawthorne blickte sich im Raum um. Fast unmerklich nickte er.
Stille trat ein. Vielleicht hatte er zu viel gesagt. Jeder im Regiment wusste, dass sie hier in einem Land von einer Art lebten, wie es Amerika niemals hatte werden wollen; Amerika hatte zwei Kriege geführt, um nicht so zu sein. Alle im Regiment, Freiwillige und Söldnerseelen, gehörten einer Armee an, die sich der Aufgabe widmete, die Sklaverei für immer zu beenden. Hitzige Debatten wurden nahezu jeden Abend in den Hütten
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