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Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl

Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl

Titel: Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William R. Forstchen
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gewarnt, einen zu vertrauten Umgang mit den Suzdaliern zu pflegen und die bestehende Ordnung in Frage zu stellen. Etliche Männer murrten schon darüber, waren aufgebracht über die hier bestehende Sklaverei. Aber allen war auch klar, dass sie vorerst auf eine Übereinkunft mit der herrschenden Klasse angewiesen waren, falls sie überleben wollten.
    Und doch: war die Wahrheit nicht die Wahrheit? Die Ältesten zu Hause hatten Vincent immer erklärt, dass es zwar schmerzlich werden konnte, die Wahrheit zu bezeugen, dass dieses Bekenntnis aber niemals verweigert werden durfte, wenn es verlangt war. Ein anderer Weg bot sich nicht, und so brachte er jetzt sein Einverständnis zum Ausdruck, indem er nickte.
    »Meine Freunde werden Fragen stellen«, sagte Kal, »und ich übersetze für beide Parteien.«
    »Mein Russisch ist noch unsicher«, bestätigte Vincent mit einem Lächeln.
    Kal tätschelte ihm den Rücken, und Vincent lehnte sich zurück, während Tanja herbeikam und sich neben ihn setzte.
    »Meine Freunde sind Zeugen eurer wundersamen Yankee-Maschinen geworden, aber ich habe ihnen noch viel mehr berichtet, besonders darüber, wie euer Volk lebt.«
    »Was zum Beispiel?«, fragte Vincent.
    »Euer Unionsland und diese Erklärung … wie nennt ihr das noch gleich?«
    »Die Unabhängigkeitserklärung?«
    »Ja, die.«
    Hawthorne lächelte und sah sich um. Wie seltsam das hier war! Zu Hause hatte er stets die Bräuche seiner Gemeinschaft befolgt, die Worte der Ältesten bedacht, Respekt erwiesen und mit dem Verständnis gelebt, dass Weisheit erst mit den Jahren kam. Wie anders sah es jetzt hier aus! Graubärtige Männer saßen am Tisch und lauschten jedem seiner Worte mit gebannter Aufmerksamkeit.
    »In meinem Land, in Amerika«, begann Hawthorne langsam, damit Kal beim Dolmetschen Schritt halten konnte, »wurden wir zur Zeit der Großeltern meines Vaters von Adligen regiert, von Bojaren wie den hiesigen.
    Mein Volk, alle Menschen meines Landes, das wir Amerika nennen, waren einfache Menschen, die den Boden bearbeiteten, und Kaufleute der Städte wie ihr. Wir glaubten, dass die Herrschaft der Adligen von Übel ist. Wir glaubten, dass Gott alle Menschen gleich erschaffen hat. Dass einem Menschen der Ertrag, den er im Schweiß seines Angesichts erworben hat, rechtmäßig gehört. Dass ein Mann die Scholle bearbeiten sollte, die ihm und ihm allein gehört, und dass er nicht gezwungen werden darf, auf eines anderen Feldern zu arbeiten, es sei denn, er täte es freiwillig und würde dafür bezahlt. Und so schrieb das Volk Amerikas eine lange Rede auf ein Pergament. Wir nannten sie die Unabhängigkeitserklärung. Wir schickten sie unserem König und sagten ihm, alle Menschen wären gleich und frei und er wäre nicht länger unser Herrscher.«
    Seine Zuhörer schnappten erstaunt nach Luft und warteten gespannt auf Weiteres.
    »Und so entsandte der König unseres Landes Soldaten, damit sie uns seinem Willen unterwarfen. Ein schrecklicher Krieg wurde gefochten, und der König wurde aus dem Land geworfen. Als der Krieg gewonnen war, hatten die Bauern den König, seine Adligen und alle ihre Soldaten vertrieben.«
    »Und wer wurde dann Bojar?«, fragte Nahatkim aus dem Hintergrund.
    »Niemand.«
    »Wie ist das möglich?«, wollte Wassilia wissen. »Wer erlässt dann die Gesetze und regiert das Volk?«
    »Wir regieren uns selbst. Als der Krieg vorbei war, versammelten sich die Menschen in jeder Stadt im ganzen Land. Wir wählten weise Männer aus den eigenen Reihen und entsandten sie zu einem großen Rat. Dort, in diesem Rat erließen die weisen Männer Regeln, die für uns alle gelten. Falls die weisen Männer gute Regeln erließen, blieben sie im Rat. Falls sie schlechte Regeln erließen, befahlen ihnen die Menschen ihrer Stadt, sie sollten heimkommen, und entsandten andere weise Männer an ihrer statt.
    Und wir suchten im ganzen Land nach einem Mann, der der weiseste von allen war. Ihn beriefen wir zum Vorsitzenden des Rates. Wir nannten ihn den Präsidenten. Vier Jahre lang sollte er uns dienen, und dann würden sich in allen Städten die Menschen versammeln und entscheiden, ob er ein guter Präsident war oder nicht. Falls er kein guter Präsident war, sagten wir ihm, er solle nach Hause gehen, und schickten jemand anderen an seine Stelle.«
    Hawthorne konnte nur hoffen, dass er seine kurze Einführung in die Demokratie in die richtigen Worte gefasst hatte. Als er seinen Vortrag schloss, brach eine hektische Diskussion aus. Einige

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