Das verlorene Regiment 02 - Jenseits der Zeit
durchzuhalten«, sagte er, »und zu beten, dass die Menschen hier uns helfen.«
Gott, das war schlimmer als alles, was er je in Virginia erlebt hatte! Andrew schwankte im Sattel und fühlte sich versucht, einen weiteren Schluck heißen Wassers aus seiner Feldflasche zu nehmen, wehrte sich aber gegen das Bedürfnis. Bis zum nächsten Fluss waren es noch über fünfzehn Kilometer, und nur Steppe umgab ihn hier.
Er schirmte die Augen mit der Hand ab und blickte sich um. Die sanft ansteigenden Hügel wechselten in der enormen Hitze des Spätsommers allmählich von Grün zu Braun. Das Grasland glich einem gewaltigen Ozean, in dem heiße Windstöße Wellen und Strudel bildeten, aber keine Erleichterung von der Hitzefolter brachten.
Er kämpfte gegen Übelkeit an und wusste sehr wohl, wie er dieses Symptom zu deuten hatte.
Ich darf jetzt nicht zusammenbrechen!, flüsterte er sich zu. Es liegen noch Stunden Weges vor uns. Ich darf jetzt einfach nicht zusammenbrechen.
Fantasiebilder tanzten in seinem Blickfeld. Es war Herbst; ein kühlender Wind blies vom Meer nach Maine hinein, und die eiskalten Wogen brachen sich in weißem Schaum an den Felsen, während der Wind Andrew und Kathleen umwehte. Sie stand lächelnd im hohen Gras und hatte Ilya, seinen alten Border Collie, an ihrer Seite. Wie köstlich kühl sie aussah, während das weiße Kleid in der Brise flatterte, an den Körper gepresst wurde und jede Linie und Kurve zeigte! Sie stand vor ihm, und Ilya bellte und tanzte vor Freude.
»Einen kühlen Schluck, Liebster?«
Lachend hielt sie einen Krug hoch, von dem Tropfen regneten. Sie kam näher. Die Kleidung war von ihr geglitten, sodass nun die vollen Brüste sichtbar waren, die schlanken Schenkel, das bezaubernde Lächeln der Liebe in den Augen.
»Ein kühlender Trunk Wasser.«
»Oh Gott, ich danke dir!«
»Sir! Colonel Keane, Sir?«
»Danke, meine Liebe, danke.«
»Colonel Keane, Sir!«
»Bullfinch?«
Verwirrt blickte er zu seinem Adjutanten hinunter, dessen Gesicht gerötet war von der Hitze.
»Sir, Sie haben geredet. Ist alles in Ordnung?«
Verlegen blickte sich Andrew um. Sein Stab marschierte hinter ihm die staubumhüllte Straße entlang. Auf der nächsten Höhe vor ihnen, anderthalb Kilometer weit entfernt, hatten die berittenen Plänkler Stellung bezogen. Andrew wandte die schmerzenden Augen von einer Seite zur anderen. Hinter ihm folgten die Regimenter und Batterien der Appia und der Gleisbettung daneben, die Flaggen hoch erhoben, und die Gestalten der Männer schimmerten und schwankten wie Gespenster durch den Dunst der sengenden Hitze.
»Colonel, Sir«, meldete sich Bullfinch wieder zu Wort, der Ton diesmal beharrlicher. »Eine Meldung ist gerade über Telegraf eingegangen.«
Mit besorgter Miene reichte er Andrew das Papier, und Andrew konnte erkennen, dass Bullfinch es gelesen hatte.
Er selbst schien die Augen nicht auf den Text einstellen zu können; irgendwas stimmte da nicht, und geistesabwesend setzte er die Brille ab und hielt das Telegramm dichter vor die Nase. Es war nutzlos.
»Lesen Sie es mir vor«, bat er und ließ die Hand sinken; die Brille fiel zu Boden.
Bullfinch fiel eine Sekunde lang zurück und tauchte wieder auf, reichte ihm die Brille hinauf. Andrew nahm sie gedankenverloren zur Hand und steckte sie in die Tasche.
»Die Meldung lautet wie folgt, Sir: ›Späher melden, dass Roum heute Morgen an Cartha gefallen ist. Ein Sendbote aus Roum ist in unserer Stellung erschienen und hat erklärt, unsere Hilfe würde nicht mehr benötigt, Roum und Cartha hätten ein Bündnis geschlossene«
Etwas regte sich in Andrew. Es fühlte sich an, als hätte er eine Ohrfeige erhalten.
Er zügelte Mercury und stieg ab. Als seine Füße den Boden erreichten, glaubte er schon, die Knie würden nachgeben. Er musste sich am Sattelknauf festhalten. Bedächtig trat er von Mercury zurück, nahm Bullfinch die Meldung ab, setzte die schweißverschmierte Brille auf und las selbst.
»Zehn Minuten Stopp!«, sagte er und setzte sich müde.
Ein Hornstoß ertönte, wurde aufgegriffen und rollte über die Steppe. Von überallher vernahm Andrew das Seufzen erschöpfter Männer und das Klappern von Ausrüstungsgegenständen auf der Erde.
»Alles in Ordnung mit Ihnen, Sir?«, erkundigte sich Bullfinch.
»Ich brauche nur ein paar Minuten«, antwortete Andrew leise und schämte sich der eigenen Schwäche. Das war etwas, woran er sich im Krieg nie gewöhnt hatte: die mörderische Sommerhitze saugte ihm die
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