Das verlorene Regiment 02 - Jenseits der Zeit
meines Sohnes?«, fragte Jubadi nervös. »Was ist passiert?«
»Dein Sohn ist wohlauf, mein Qarth«, antwortete Tamuka und verbeugte sich tief. »Aber ich diene ihm nicht mehr. Er hat mich fortgeschickt. Hulagar hielt es deshalb für das Beste, mich als Sendboten auszuwählen.«
»Diese einfache Feststellung kündet von vielen Dingen, Schildträger. Falls Hulagar dich mit der Überbringung der Nachrichten beauftragt hat, dann steht deine Ehre bei ihm in hohem Ansehen. Deshalb hatte mein Sohn auch keinen ausreichenden Grund, dich zu entlassen.«
»Das ist nicht wichtig«, fand Tamuka. »Die Meldungen vom Feldzug hingegen sind es.«
»Du bist ein Diplomat«, sagte Jubadi, der Tamukas Zurückhaltung, dem Vater gegenüber schlecht vom Zan Qarth zu sprechen, alles entnehmen konnte, was er wissen musste. »Jetzt berichte mir, was vorgefallen ist.«
Tamuka redete schnell, gab einen Überblick über die Kämpfe und achtete darauf, nicht direkt von dem Debakel zu sprechen, das Jubadis Sohn in den abschließenden Stunden verschuldet hatte.
»Ich habe zwei meiner Söhne verloren«, flüsterte Jubadi.
Tamuka nickte.
»Wie sind sie umgekommen?«
»Als Krieger, während sie Dutzende erschlugen«, log Tairiuka. Wie konnte er ihm jemals die Wahrheit sagen? Ran, der so vielversprechend gewesen war, den hatte man vom Pferd gezogen und zu Tode geprügelt. Den jungen Akharn hatten sie lebend davongeschleppt, ein Merki, der von Vieh gefangen genommen wurde – ein Schicksal, das für ihn ewige Demütigung im immer währenden Himmel bedeutete, wo alle ihn verspotten würden für ein solches Ende ohne einen Fetzen Ehre.
»Sie werden mit den Nachtwinden reiten, die Köpfe ehrenhaft erhoben«, erklärte Tamuka entschieden. »Möge ich mit ebensolchem Ruhme an ihrer Seite reiten, wenn Bugglaah die Hand ausstreckt, um meine Seele zu holen.«
Jubadi blickte ihm in die Augen, spürte all das, was ungesagt blieb, und wusste doch, dass er niemals nachfragen würde.
»Alles ist recht gut verlaufen«, erklärte er scharf und wandte sich kurz ab. »Du wirst zurückkehren«, sagte er dann.
»Mein Qarth?«
»Ich möchte, dass du zurückkehrst. Ich möchte keine weiteren Söhne an dieses Vieh verlieren. Du bist Schildträger -dein Vater diente schon meinem Vater in dieser Funktion.«
»Aber Vuka …«, wandte Tamuka gelassen ein.
»Zur Hölle mit Vukas Worten!«, knurrte Jubadi. »Da ist immer noch Mantu.«
»Aber nur, falls er überlebt, kann er Zan Qarth werden, der Erbe deiner Rechte.«
»Nur falls er überlebt!«, schrie Jubadi. »Denkst du, ich wüsste nicht, was da oben passiert ist? Habe ich mir vielleicht Hulagars Depesche nicht vorlesen lassen, ehe ich dich empfing?
Du bist treu, Tamuka, aber deine Treue fallt jetzt mir zu und durch mich der Merkihorde. Und ich frage dich: falls ich heute stürbe, falls es mein Herz wäre, das Bugglaah als Nächstes berührt, wäre Vuka zum Qar Qarth geeignet?«
Tamuka schwieg.
»Antworte mir!«
»Nein, mein Qarth«, flüsterte Tamuka.
»Dann weißt du, was zu tun ist.«
Entsetzt sah Tamuka Jubadi an. Er entdeckte kalte Qual in den Augen des Qar Qarth. Tamuka wurde schlecht, und er wandte sich ab. Nicht zum ersten Mal geschah es, dass Schildträger dergleichen taten – und diese Aufgabe übertrug man ihnen, um das Blut der Horde zu beschützen, denn ein Qar Qarth, der seinem Volk keine guten Dienste leistete, bedeutete für alle den Tod. Und doch konnte sich ein solcher Qar Qarth, auch wenn er seine Wertlosigkeit bewiesen hatte, an seinen Träger wenden und so weiterhin herrschen, auch wenn ein anderer ihm die Worte der Führung einflüsterte. Vuka hatte seinen Träger fortgeschickt und jede Schuld für das, was er getan hatte, abgestritten. Hätte er seinen Fehler eingestanden und daraus gelernt, wäre nie das passiert, was jetzt bevorstand. So hatten die vierzig Clans der Merki den Frieden gewahrt und die bitteren Kriege verhindert, die sie früher entzweiten, wenn sich Clanhäuptlinge von jemandem unterdrückt fühlten, der nicht zur Führung geeignet war. Der Qar Qarth war entweder ein echter Qar Qarth, oder er war tot, und jemand anderes vom Goldenen Blut trat an seiner Statt die Herrschaft an.
»Du verlangst von mir, ihn zu töten«, stellte Tamuka fest und bemühte sich, das Beben seiner Stimme zu beherrschen.
Jubadi wandte ihm weiter den Rücken zu und schwieg. Die Minuten glitten langsam vorüber.
»Falls er Sühne leistet und sich noch als ein Besserer beweist, dann
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