Das verlorene Regiment 02 - Jenseits der Zeit
dass Sie ihnen auf ihrem Marsch voraus sind. Dass Sie von Roum aus zu den Kathi vorstoßen, dem chinesischen Volk weiter östlich. Die Kathi sind nun schon länger auf diesem Planeten als die Roum. Ihr Volk breitet sich über den Marschweg von drei Horden aus. Dort würde Sie nichts mehr daran hindern, noch weiter nach Osten vorzudringen, dieweil die Tugaren nicht mehr existieren.«
»Nicht mehr existieren?«
»Oh, das haben Sie noch nicht gehört?«, fragte Tobias lächelnd. »Sie wurden vor sechs Monaten vernichtet. Sie flohen nach Süden, quer über die Marschrichtung der Merki, um bei den Bantag Zuflucht zu finden, die sie jedoch vernichteten.«
Vincent musterte Tobias sorgfältig, wusste nicht recht, ob er ihm glauben sollte. Falls die Behauptung stimmte, hatte sich die Lage aufs Neue verändert.
»Aber wie ich schon sagte, die Merki stecken in der Falle, wohin sie sich auch wenden. Falls sie ihre ganze Aufmerksamkeit nach Osten richten, müssen sie die Meerenge der Binnensee überqueren.«
»Mit Ihrer Hilfe.«
»Ja, mit meiner Hilfe!«, stellte Tobias scharf fest. »Sie und die Bantag werden gegeneinander kämpfen, und der Teufel frisst den Verlierer. Aber sie sind auch über das besorgt, was Sie tun. Sie fürchten die Rus in gewissem Maße. Und so bin ich mit dieser Übereinkunft auf die Bühne getreten. Falls Sie neutralisiert sind, können sich die Merki anderen Dingen zuwenden. Sie haben sogar den Carthas Verschonung gewährt, falls sie ihnen diesen Dienst leisten.
Falls jedoch nicht …« Und sein Ton war müde und traurig. »… dann geben sie den Kampf gegen die Bantag auf und stürmen nach Norden, um sich das alte Territorium der Tugaren zu holen.«
»Mit Ihrer Hilfe?«
»Ich überlebe auf jeden Fall«, antwortete Tobias kalt.
»Also soll ich wohl denken, dass Sie ganz in unserem Interesse handeln.«
»Man könnte es so sehen.«
»Und das soll ich wirklich glauben? Warum sind Sie nicht friedlich an uns herangetreten? Wir haben wiederholt Botschafter nach Cartha entsandt. Keiner ist je zurückgekehrt, also haben wir es letztlich aufgegeben.«
»Die Carthas werden mit Ihnen nicht verhandeln. Ihnen ist jeder Kontakt verboten worden.«
Tobias stand auf und zeigte damit, dass der Empfang beendet war.
»Ich erwarte Ihre Antwort morgen früh«, sagte er zu Lucullus und gab beiden mit einem Wink zu verstehen, sie möchten gehen.
Lucullus stand wortlos auf und verließ das Zelt. Vincent traf Anstalten, ihm zu folgen, blieb aber noch einmal stehen und drehte sich zu Tobias um.
»Captain Cromwell, ein Wort unter vier Augen, bitte«, sagte er leise auf Englisch und blickte ihm geradeheraus in die Augen.
Tobias zögerte.
»Sie haben vieles getan, was ich verabscheue, aber ich erinnere mich nach wie vor, wie Sie mir im Krieg das Leben gerettet haben, als Sie meine Männer und mich aus dem Wasser fischten, nachdem uns die Tugaren überrannt hatten. Können wir dessentwillen wie zwei ehemalige Kameraden miteinander sprechen?«
Tobias lächelte traurig und gab dem Dolmetscher mit einem Nicken zu verstehen, er möge das Zelt verlassen.
»Ein seltsames Gefühl, wieder Englisch zu sprechen«, sagte Tobias wehmütig. »Die Carthasprache war schwer zu lernen.«
»Rus war nicht viel besser.«
»Ich verstehe auf einmal, warum man Sie zum Botschafter berufen hat. Sie sind einer der wenigen, die Latein sprechen.«
»Ich hätte nie gedacht, dass mir der Sprachunterricht auf der Oak-Grove-Schule jemals so helfen würde«, sagte Vincent, um einen lockeren Tonfall bemüht, damit sich irgendwie die nötige Atmosphäre einstellte.
»Wissen Sie, ich habe Ihnen das noch nie erzählt, aber ich habe Ihre Schule einmal gesehen. Sie sah wunderschön aus dort auf dem Hügel über dem Kennebec River.«
»Ich hoffe, sie wird immer dort stehen.«
»Oh, irgendein gottverdammter Idiot wird sie letztlich in die Finger bekommen und ruinieren. Ich habe eine ähnliche Schule besucht – keine Quäkerschule allerdings. Der Direktor war ein unfähiger Schwächling und seine Frau eine heimtückische Hexe, die die Schule mit ihrem Ehrgeiz kaputtgemacht hat. So läuft es irgendwann immer«, erzählte Tobias mit ferner und kalter Stimme.
»Anscheinend sehen Sie immer das Schlimmste kommen. Ich versuche, nach dem Besten Ausschau zu halten.«
»Deshalb sind wir so verschieden, Vincent. Ich bin Realist, Sie ein idealistischer Träumer. Ich wünschte mir, die Welt wäre das, wofür Sie sie halten, aber ich habe gelernt, dass es
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