Das Verlorene Symbol
das mit Rädern versehen war. Dann trat er damit ins Licht, und Katherine traute ihren Augen nicht. Der Tätowierte schob einen Mann in einem Rollstuhl.
Natürlich erkannte Katherine ihn sofort, doch innerlich weigerte sie sich zu akzeptieren, was sie sah.
Peter?
Sie wusste nicht, ob sie überglücklich sein sollte, weil er noch lebte … oder starr vor Grauen. Peter war am ganzen Leib glatt rasiert. Sein dichtes graues Haupthaar war verschwunden, ebenso die Augenbrauen, und er glänzte wie eingeölt. Er war mit einem langen schwarzen Seidenhemd bekleidet, und wo seine rechte Hand hätte sein sollen, war ein frisch bandagierter Stumpf. Seine schmerzerfüllten Augen suchten ihren Blick.
»Peter!«, brachte sie krächzend hervor.
Er wollte etwas sagen, brachte aber nur erstickte Laute hervor. Jetzt sah sie auch, dass er geknebelt und an den Rollstuhl gefesselt war.
Der Tätowierte strich Peter sanft über den rasierten Kopf. »Ich habe Ihren Bruder für eine große Ehre vorbereitet. Er hat heute Nacht eine wichtige Rolle zu spielen.«
Katherine versteifte sich am ganzen Leib. Nein …
»Peter und ich werden gleich gehen, aber ich dachte, Sie wollten sich noch verabschieden.«
»Wo bringen Sie ihn hin?«, fragte sie kraftlos.
Er lächelte. »Peter und ich müssen zum heiligen Berg. Dort liegt der Schatz. Die Freimaurerpyramide hat die Lage des Ortes preisgegeben. Ihr Freund Robert Langdon war dabei äußerst hilfreich.«
Katherine sah ihrem Bruder in die Augen. »Er hat Robert … getötet.«
Peter Solomon verzog gequält das Gesicht und schüttelte heftig den Kopf, als könne er es nicht mehr ertragen.
»Na, na, Peter«, sagte ihr Entführer und tätschelte wieder den geschorenen Schädel. »Lassen Sie sich den Abschied nicht vermiesen. Sagen Sie auf Wiedersehen zu Ihrer kleinen Schwester. Das ist das letzte Familientreffen.«
Katherine wurde von Verzweiflung erfasst. »Warum tun Sie das?«, schrie sie ihn an. »Was haben wir Ihnen getan? Warum hassen Sie unsere Familie so sehr?«
Der Tätowierte kam zu ihr und beugte sich an ihr Ohr. »Ich habe meine Gründe, Katherine.« Dann ging er an den Beistelltisch, nahm das sonderbare Messer und fuhr ihr mit der glänzenden Klinge über die Wange. »Das ist möglicherweise das berühmteste Messer der Geschichte.«
Katherine wusste nichts von berühmten Messern, aber es sah unheilvoll und alt aus. Die Klinge fühlte sich sehr scharf an.
»Keine Sorge«, sagte er. »Ich habe nicht die Absicht, seine Kraft an Ihnen zu vergeuden. Ich spare es für ein würdigeres Opfer auf … und für einen heiligen Ort.« Er drehte sich zu ihrem Bruder um. »Peter, Sie erkennen das Messer, nicht wahr?«
Peter riss entsetzt und ungläubig die Augen auf.
»Ja, Peter, dieses alte Stück existiert noch. Ich habe viel Geld dafür bezahlt … und es eigens für Sie erworben. Zu guter Letzt werden wir unsere gemeinsame schmerzliche Reise zu Ende bringen können.«
Er schlug das Messer zusammen mit den anderen Dingen – Weihrauch, Phiolen, weißen Tüchern und lauter rituellem Zeug – sorgsam in ein Tuch ein und steckte alles in Robert Langdons lederne Umhängetasche, dazu die Freimaurerpyramide und den Deckstein. Katherine beobachtete hilflos, wie der Mann den Reißverschluss zuzog und sich ihrem Bruder zuwandte.
»Passen Sie gut darauf auf, Peter.« Er legte ihm die Tasche in den Schoß.
Als Nächstes ging er an eine Schublade und kramte darin. Man hörte das Klirren kleiner Metallgegenstände. Als er zu Katherine kam, nahm er ihren rechten Arm und hielt ihn ausgestreckt fest. Katherine konnte nicht sehen, was der Mann tat, doch Peter sah es offenbar genau, denn er bäumte sich heftig in seinem Rollstuhl auf.
Katherine spürte einen schmerzhaften Stich in der Ellenbeuge und dann ein warmes Rinnsal. Peter gab angstvolle Laute von sich und versuchte vergeblich, sich loszureißen. In Katherines Unterarm breitete sich eine kalte Taubheit bis in die Fingerspitzen aus.
Als der Mann ihren Arm freigab, sah sie, warum ihr Bruder so entsetzt war. In der Vene steckte eine Kanüle wie etwa beim Blutspenden, nur war kein Röhrchen aufgesteckt, sodass das Blut ungehindert strömte. Es lief am Arm entlang auf die Steinplatte.
»Ein menschliches Stundenglas«, sagte der Tätowierte zu Peter. »Wenn ich Sie nachher bitten werde, Ihre Rolle zu spielen, sollten Sie in Gedanken bei Katherine sein.«
Auf Peters Gesicht malten sich Höllenqualen ab.
»Sie wird noch ungefähr eine Stunde
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