Das Verlorene Symbol
vollbringen. Nicht einmal die tödliche Diagnose ihrer Ärzte – aggressiver Kehlkopfkrebs – hatte sie erschüttern können. Die Schlacht hatte sie einen Monat Arbeit, die Hälfte ihrer Stimme und ein Drittel ihres Körpergewichts gekostet, doch sie war wieder ins Büro zurückgekehrt, als wäre nichts geschehen. Inoue Sato schien unzerstörbar zu sein.
Robert Langdon vermutete, dass er nicht der Erste war, der Sato am Telefon für einen Mann gehalten hatte, doch sie funkelte ihn noch immer mit ihren schwelenden schwarzen Augen an.
»Bitte, entschuldigen Sie, Ma'am«, sagte Langdon. »Ich versuche noch immer, mich hier zu orientieren. Die Person, die behauptet, Peter Solomon in der Gewalt zu haben, hat mich heute Abend mit einem Trick nach D.C. gelockt.« Er holte das Fax aus seiner Jackentasche. »Das hier hat er mir früher am Tag zukommen lassen. Ich habe mir die Nummer des Flugzeugs notiert, das er geschickt hat, um mich abholen zu lassen. Wenn Sie bei der FAA anrufen und …«
Satos winzige Hand schoss vor und schnappte sich das Blatt Papier. Sie steckte es in die Tasche, ohne auch nur einen flüchtigen Blick darauf zu werfen. »Professor, ich leite diese Untersuchung, und solange Sie mir nicht sagen, was ich wissen will, schlage ich vor, dass Sie erst den Mund aufmachen, wenn Sie angesprochen werden.«
Sato wirbelte zum Sicherheitschef herum.
»Chief Anderson.« Sato trat viel zu nahe an ihn heran und funkelte ihn mit ihren winzigen schwarzen Augen an. »Würden Sie mir endlich sagen, was hier los ist? Der Wachmann am Osteingang sagte mir, Sie hätten hier eine menschliche Hand gefunden. Stimmt das?«
Anderson trat zur Seite und gab den Blick auf das Ding auf dem Boden frei. »Ja, Ma'am, erst vor ein paar Minuten.«
Sato schaute auf die Hand, als wäre sie bloß ein falsch abgelegtes Kleidungsstück. »Und trotzdem haben Sie das mir gegenüber nicht erwähnt, als ich angerufen habe?«
»Ich … Ich dachte, Sie wüssten es.«
»Lügen Sie mich nicht an!«
Anderson schrumpfte unter Satos Blick förmlich zusammen, doch sein Tonfall blieb selbstbewusst. »Ma'am, wir haben die Situation unter Kontrolle.«
»Das wage ich zu bezweifeln«, erwiderte Sato mit dem gleichen Selbstbewusstsein.
»Die Spurensicherung ist bereits unterwegs. Wer immer das Ding da abgestellt hat – er hat vielleicht Fingerabdrücke hinterlassen.«
Sato blickte skeptisch drein. »Ich könnte mir vorstellen, dass jemand, der clever genug war, mit einer abgetrennten Hand durch Ihre Sicherheitskontrollen zu spazieren, auch klug genug ist, keine Fingerabdrücke zu hinterlassen.«
»Das mag ja stimmen, aber es ist meine Pflicht, das zu untersuchen.«
»Jetzt nicht mehr. Ich entbinde Sie mit sofortiger Wirkung von Ihren Pflichten. Von nun an übernehme ich die Sache.«
Anderson versteifte sich. »Das fällt doch gar nicht in den Aufgabenbereich des OS.«
»Oh doch. Das ist eine Frage der nationalen Sicherheit.«
Peters Hand?, fragte sich Langdon, der das Gespräch wie benommen verfolgte. Eine Frage der nationalen Sicherheit? Langdon hatte mehr und mehr das Gefühl, dass sein vorrangiges Ziel, nämlich Peter zu finden, nicht Satos Ziel war. Die Chefin des OS schien auf einem ganz anderen Fest zu tanzen.
Anderson schien ebenso verwirrt zu sein. »Nationale Sicherheit? Bei allem gebührendem Respekt, Ma'am …«
»Als ich das letzte Mal nachgesehen habe«, unterbrach Sato ihn, »stand ich im Rang über Ihnen. Ich schlage vor, Sie tun genau, was ich sage, ohne Fragen zu stellen.«
Anderson schluckte. »Aber sollten wir nicht wenigstens Abdrücke von den Fingern der Hand nehmen, um sicherzugehen, dass sie wirklich Peter Solomon gehört?«
»Das kann ich Ihnen bestätigen«, sagte Langdon und spürte eine Übelkeit erregende Gewissheit. »Ich erkenne seinen Ring … und seine Hand.« Er hielt kurz inne. »Die Tätowierungen sind allerdings neu. Irgendjemand hat sie ihm erst vor Kurzem beigebracht.«
»Wie bitte?« Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft machte Sato einen nervösen Eindruck. »Die Hand ist tätowiert?«
Langdon nickte. »Der Daumen mit einer Krone, der Zeigefinger mit einem Stern.«
Sato zog eine Brille hervor, ging zu der Hand und umkreiste sie wie ein Hai einen über Bord gegangenen Matrosen.
»Außerdem«, fuhr Langdon fort, »kann man die anderen drei Finger zwar nicht sehen, aber ich bin sicher, dass sie ebenfalls Tätowierungen auf den Fingerkuppen aufweisen.«
Sato schien von diesem Kommentar fasziniert
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