Das Verlorene Symbol
passiert?«
»Nein. Das heißt, ich glaube es jedenfalls nicht«, sagte der Anrufer. »Ihr Bruder hat heute Morgen einen Termin versäumt, und ich kann ihn unter keiner seiner hinterlegten Nummern erreichen. Er ist noch nie zu einem Termin nicht erschienen, ohne vorher anzurufen, und ich mache mir ein bisschen Sorgen. Ich behellige Sie ungern, aber …«
»Nein, nein, ich bin froh, dass Sie anrufen.« Katherine versuchte noch immer, den Namen des Arztes einzuordnen. »Mit meinem Bruder habe ich seit gestern nicht mehr telefoniert, aber er hat wahrscheinlich nur vergessen, sein Handy einzuschalten.« Erst vor Kurzem hatte sie Peter das neueste iPhone geschenkt, und er war noch nicht dazu gekommen, sich mit dem Gerät vertraut zu machen.
»Sie sind sein Arzt?«, fragte Katherine mit wachsender Besorgnis. Leidet Peter an einer Krankheit, die er mir verheimlicht?
Am anderen Ende trat eine gewichtige Pause ein. »Es tut mir furchtbar leid, aber offenbar beruht meine Entscheidung, Sie anzurufen, auf einer bedauerlichen Fehleinschätzung meinerseits. Ihr Bruder hat mir versichert, Sie wären über seine Besuche bei mir im Bilde, aber das ist offenbar nicht der Fall.«
Peter hat seinen Arzt belogen? »Ist er krank?«
»Ich bedaure, Miss Solomon, doch die ärztliche Schweigepflicht hindert mich an jeder Diskussion über den Zustand Ihres Bruders, und ich habe bereits zu viel gesagt, indem ich zugegeben habe, dass er mein Patient ist. Ich werde jetzt auflegen, aber wenn Sie heute noch von Mr. Solomon hören sollten, rufen Sie mich bitte zurück, damit ich weiß, dass es ihm gut geht.«
»Warten Sie!«, rief Katherine. »Bitte sagen Sie mir, was Peter fehlt!«
Dr. Abaddon seufzte auf. Er hörte sich an, als wäre er ungehalten über seinen Fehler. »Miss Solomon, ich merke Ihrer Stimme an, dass Sie aufgeregt sind, und ich kann es Ihnen nicht verübeln. Ich bin sicher, Ihrem Bruder geht es gut. Erst gestern hat er mich aufgesucht.«
»Gestern? Und dann hat er heute schon wieder einen Termin bei Ihnen? Das hört sich nicht danach an, als ginge es ihm gut.«
Dr. Abaddon seufzte tief. »Ich würde vorschlagen, wir geben ihm noch etwas Zeit, ehe wir …«
»Ich komme in Ihre Praxis, jetzt sofort«, sagte Katherine und war schon auf dem Weg zur Tür. »Wo finde ich Sie?«
Schweigen.
»Dr. Christopher Abaddon, nicht wahr?«, fragte Katherine. »Ich kann mir Ihre Adresse selbst heraussuchen, oder Sie geben sie mir. In jedem Fall komme ich jetzt zu Ihnen.«
Der Arzt zögerte. »Wenn wir uns treffen, Miss Solomon, wären Sie dann bitte so freundlich, Ihrem Bruder nichts davon zu sagen, ehe ich Gelegenheit bekommen habe, ihm meinen Fehltritt zu erklären?«
»Einverstanden.«
»Ich danke Ihnen. Mein Büro ist in Kalorama Heights.« Er nannte ihr eine Adresse.
Zwanzig Minuten später fuhr Katherine durch die schmucken Straßen von Kalorama Heights. Sie hatte ihren Bruder auf sämtlichen Nummern angerufen – vergeblich. Obwohl sie sich um Peter keine allzu großen Gedanken machte, war die Neuigkeit, dass er insgeheim einen Arzt aufsuchte, beunruhigend, wenn nicht sogar verstörend.
Als Katherine schließlich die Adresse fand, blickte sie verwirrt an dem Gebäude hoch. Das soll eine Arztpraxis sein?
Das ausgedehnte Anwesen war von einem schmiedeeisernen Sicherheitszaun umgeben. Katherine sah Überwachungskameras und grüne Rasenflächen hinter dem Zaun. Als sie abbremste, um die Adresse zu prüfen, schwenkte eine Kamera zu ihr herum, und das Tor öffnete sich selbsttätig. Zögernd fuhr Katherine die Zufahrt hinauf und parkte neben einer Sechsergarage, vor der eine Stretchlimousine stand. Was für ein Arzt ist dieser Mann?
Als sie aus dem Wagen stieg, öffnete sich die Vordertür des Hauses, und eine elegante Gestalt schwebte auf den Treppenabsatz. Dr. Abaddon war ein hochgewachsener, stattlicher Mann und jünger, als Katherine angenommen hätte. Dennoch strahlte er die Kultiviertheit und den Schliff eines Gentlemans in mittleren Jahren aus. Er trug einen dunklen Anzug mit Krawatte, und sein dichtes blondes Haar war tadellos frisiert.
»Miss Solomon, ich bin Dr. Christopher Abaddon«, stellte er sich vor. Seine Stimme war seltsam, kaum mehr als ein Flüstern. Als sie einander die Hände schüttelten, fühlte seine Haut sich glatt und gepflegt an.
»Katherine Solomon«, sagte sie und versuchte nicht auf seine Haut zu starren, die ungewöhnlich faltenlos und gebräunt erschien. Trägt der Kerl etwa Make-up
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