Das Verlorene Symbol
zum Punkt. »Die Legende der Freimaurerpyramide ist schnell erzählt. Um ihrer Verantwortung gerecht zu werden und das kostbare Wissen für zukünftige Generationen zu erhalten, wurde es von den Freimaurern in einer großen Festung verborgen.« Langdon versuchte, sich an die Details der Geschichte zu erinnern. »Ich muss noch einmal betonen, dass es sich bei alldem um einen reinen Mythos handelt. Angeblich gelang es den Freimaurern, ihr geheimes Wissen von der Alten Welt in die Neue zu transportieren – hierher, nach Amerika –, in ein Land, von dem sie hofften, dass es von religiöser Tyrannei verschont bliebe. Hier errichteten sie eine uneinnehmbare Festung, eine verborgene Pyramide, erbaut, um die Alten Mysterien zu behüten, bis die ganze Menschheit reif genug ist, ihre gewaltige Macht zu beherrschen. Der Legende zufolge, krönten die Freimaurer ihre große Pyramide mit einem glänzenden Deckstein aus purem Gold, Symbol für den wertvollen Schatz im Innern: das Alte Wissen, das den Menschen in die Lage versetzt, sein volles Potenzial auszuschöpfen. Die Apotheose.«
»Tolle Geschichte«, meinte Sato.
»Ja. Die Freimaurer wurden schon Opfer aller möglichen hanebüchenen Legenden.«
»Offenbar glauben Sie nicht, dass eine solche Pyramide existiert.«
»Natürlich nicht«, erwiderte Langdon. »Es gibt keinerlei Beweise dafür, dass die Freimaurer unter unseren Vorfahren irgendwo in Amerika eine Pyramide erbaut hätten, geschweige denn hier in Washington. Eine Pyramide zu verstecken ist ziemlich schwierig, erst recht, wenn sie groß genug ist, das verlorene Wissen sämtlicher Zeiten aufzunehmen.«
Soweit Langdon sich erinnern konnte, erklärte die Legende nicht, was genau sich in der Pyramide der Freimaurer befand – ob es alte Texte waren, okkulte Schriften, wissenschaftliche Entdeckungen oder etwas weitaus Geheimnisvolleres. Die Legende besagte nur, dass dieses wertvolle Wissen auf geniale Weise verschlüsselt war, und nur von den höchsten Erleuchteten verstanden werden konnte.
»Wie auch immer«, sagte Langdon, »diese Geschichte fällt in eine Kategorie, die wir Symbolologen als ›archetypischen Hybrid‹ bezeichnen – eine Vermischung klassischer Legenden, die sich so vieler populärer mythischer Elemente bedient, dass es sich nur um ein erfundenes Konstrukt handeln kann und nicht um eine historische Tatsache.«
Wenn Langdon seinen Studenten die archetypischen Hybride erklärte, benutzte er gerne Märchen als Beispiel, die von Generation zu Generation weitererzählt und jedes Mal neu ausgeschmückt wurden. Dabei borgten sie so intensiv voneinander, dass sie zu homogenen Sittenstücken mit immer wiederkehrenden Elementen wurden: der jungfräulichen Maid, dem schönen Prinzen, der uneinnehmbaren Festung und dem mächtigen Zauberer. Vermittels der Märchen wird der urtümliche Konflikt zwischen ›Gut‹ und ›Böse‹ bereits in unserer Kindheit tief in uns verwurzelt: Merlin gegen Morgan le Fay, der heilige Georg gegen den Drachen, David gegen Goliath, Schneewittchen gegen die böse Schwiegermutter und selbst Luke Skywalker gegen Darth Vader.
Sato kratzte sich am Kopf, als sie um eine Ecke bogen und Anderson einem kurzen Treppenlauf hinunter folgten. »Sagen Sie, wenn ich mich nicht täusche, hat man Pyramiden einst für mystische Portale gehalten, durch die der verstorbene Pharao zu den Göttern aufstieg, nicht wahr?«
»Richtig.«
Sato blieb stehen, packte Langdon am Arm und blickte mit einem Ausdruck zu ihm auf, der zwischen Überraschung und Unglaube lag. »Sie wollen ernsthaft behaupten, Peter Solomons Entführer hätte Ihnen aufgetragen, ein verborgenes Portal zu finden, und Sie sind nicht auf den Gedanken gekommen, er könnte von dieser Freimaurerpyramide aus der Legende reden?«
»Egal, welchen Maßstab man anlegt, die Geschichte von der Pyramide der Freimaurer ist ein Märchen. Pure Fantasie.«
Sato trat noch einen Schritt näher an ihn heran, sodass Langdon den Zigarettenrauch in ihrem Atem riechen konnte. »Ich verstehe Ihre Einstellung zu diesem Thema, Professor, aber was meine Untersuchung angeht, lässt die Parallele sich schwerlich ignorieren. Ein Portal, das zu geheimem Wissen führt? Für mich hört sich das sehr danach an, als wäre damit genau das gemeint, von dem Solomons Entführer behauptet, nur Sie könnten es öffnen …«
»Ich kann mir kaum vorstellen …«
»Darum geht es hier nicht. Egal, was Sie davon halten mögen, Sie müssen zugeben, dass dieser Mann
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