Das Verlorene Symbol
Sicherheitsplan in der Tasche hatte. Alles war so schnell vor sich gegangen, dass Langdon sich erst jetzt allmählich über die Konsequenzen seiner halsbrecherischen Flucht mit Bellamy klar zu werden begann. Ich werde von der CIA gejagt.
Bellamy bog um eine Ecke, hinter der eine breite Treppe nach oben führte, die mit orangefarbenen Pylonen abgesperrt war. Beim Hinaufsteigen wurde Langdons Umhängetasche mit jedem Schritt schwerer. »Die Steinpyramide«, sagte er, »ich verstehe noch immer nicht, was sie …«
»Nicht hier«, unterbrach ihn Bellamy. »Wir sollten uns das bei Licht ansehen. Ich weiß einen sicheren Ort.«
Langdon hatte seine Zweifel, ob es für jemanden, der soeben den Direktor des Office of Security der CIA niedergeschlagen hatte, wirklich so etwas wie Sicherheit gab.
Als die beiden Männer den Kopf der Treppe erreicht hatten, gelangten sie in einen breiten Gang aus weißem italienischem Marmor, Stuck und Blattgold. Unterhalb der Decke waren auf beiden Seiten jeweils acht Statuen zu sehen, die alle die Göttin Minerva darstellten. Bellamy drängte weiter und führte Langdon in östlicher Richtung durch einen Torbogen in einen weit größeren – und großartigeren – Raum.
Selbst im düsteren Schein der Nachtbeleuchtung erstrahlte die große Eingangshalle in der opulenten Pracht eines europäischen Renaissancepalasts. Mehr als zwanzig Meter über ihnen glänzten zwischen Strebebalken, die mit seltenem ›Blattaluminium‹ verziert waren – einem Metall, das seinerzeit als kostbarer als Gold galt –, bunt verglaste Oberlichtfenster. Darunter säumte eine imposante Folge von gekuppelten Säulen den Balkon des ersten Stocks, der über zwei Freitreppen zur Rechten und zur Linken zugänglich war, die von riesigen weiblichen Bronzefiguren mit hochgereckten Fackeln der Erleuchtung bewacht wurden.
In einem bizarren Versuch, dieses Thema der modernen Aufklärung widerzuspiegeln und doch innerhalb des dekorativen Rahmens der Renaissance-Architektur zu bleiben, hatte man die Treppengeländer mit kindlichen Engelfiguren geschmückt, die mit den Attributen moderner Technik und Wissenschaft versehen waren. Ein Putto -Elektriker mit Telefon? Ein Cherub -Entomologe mit einer Sammelbüchse? Langdon fragte sich, was Bernini wohl dazu gesagt hätte.
»Hier können wir uns unterhalten«, sagte Bellamy und führte Langdon vorbei an den Vitrinen aus kugelsicherem Glas, in denen die beiden wertvollsten Bücher der Bibliothek ausgestellt waren – die Mainzer Riesenbibel, eine der letzten großen lateinischen Bibelhandschriften aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, und die Gutenberg-Bibel, eines der drei letzten vollständig erhaltenen Exemplare. Passend dazu zeigte die Gewölbedecke darüber John White Alexanders sechsteiliges Gemälde Die Entwicklung des Buches.
Bellamy ging direkt auf eine elegante Doppeltür in der Mitte der Rückwand des Ostkorridors zu. Langdon wusste, welcher Raum hinter dieser Tür lag, doch für eine Unterhaltung erschien er ihm denkbar ungeeignet. Abgesehen von der Ironie, in einem Raum voller ›Bitte-Ruhe‹-Schilder ein Gespräch zu fuhren, konnte er sich diesen Saal kaum als ›sicheren Ort‹ vorstellen. Genau im Zentrum des kreuzförmigen Grundrisses gelegen, war dieser Raum das Herz des Gebäudes. Sich hier zu verstecken war wie in eine Kirche einzubrechen und sich auf den Altar zu flüchten.
Nichtsdestotrotz schloss Bellamy die Doppeltür auf, trat in das Dunkel dahinter und tastete nach dem Lichtschalter. Als er ihn umlegte, schien eines der großen architektonischen Meisterwerke Amerikas aus dem Nichts zu materialisieren.
Der berühmte Lesesaal war ein Fest für die Sinne. Ein gewaltiges Oktogon erhob sich in der Mitte fast fünfzig Meter bis zum Scheitel der Kuppel. Die acht Seiten waren mit braunem Tennessee-Marmor, gelblich weißem Siena-Marmor und apfelrotem algerischem Marmor verkleidet. Da der Raum von acht Seiten beleuchtet wurde, gab es keine Schatten, sodass der ganze Saal von innen heraus zu leuchten schien.
»Manche sagen, es sei der eindrucksvollste Raum in Washington«, meinte Bellamy und winkte Langdon hinein.
Vielleicht auf der ganzen Welt, dachte Langdon, als er über die Schwelle trat. Wie jedes Mal schweifte sein Blick als Erstes direkt hinauf zum Scheitel der Kuppel, von dessen Kranz sich arabeske Kassetten strahlenförmig über die Innenwand der Kuppel zu der oberen Galerie hinabschwangen, die von großen Rundbogenfenstern mit Tonnengewölben
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