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Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05

Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05

Titel: Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
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die Augen der Mutter.
20 B RUDERFÜHRER
G
ILBERT
    Artor erschien Gilbert noch viele Male, während er
Moryson nordwärts von Nor wegtrieb, und mit jedem
neuen Mal wurden Gilberts Augen ein wenig dunkler vor
Glaubenseifer und Ekstase. Sein Geist verhärtete sich. Er
würde alles, im wahrsten Sinn des Wortes alles tun, um
sicherzustellen, daß Artor und der Seneschall wieder
ihren rechtmäßigen Platz in Achar einnahmen.
    Moryson folgte Gilbert schweigend auf einem Pferd,
das jener ihm widerstrebend gekauft hatte.
Obwohl der Alte die meiste Zeit schwieg und keine
Beschwerden äußerte, brachte seine Gegenwart Gilbert
oft aus der Fassung. Gelegentlich entschlüpfte Moryson
eine scharfe Bemerkung, die Gilbert nur allzu sehr an die
Tage erinnerte, als er selbst lediglich der zweite Ratgeber
des Bruderführers gewesen war, während Moryson über
vierzig Jahre die Stellung seines vertrauten Freundes
eingenommen hatte. Begriff der alte Narr denn nicht, daß
Gilbert inzwischen diese Stellung innehatte? Daß der
ehemalige jüngere Berater nun zur Rechten Artors stand?
Aber noch mehr ärgerte ihn Morysons gelegentliche
Abwesenheit. Das erste Mal, als Gilbert das Verschwinden des Alten bemerkte, durchlitt er einen Anfall von
Panik. Das Pferd Morysons stand noch da, er selbst aber
war verschwunden. War der Trottel in einen Dachsbau
gestürzt und hatte sich eines seiner wackeligen Beine
gebrochen? Hatte ihn der fliegende Unrat entführt, von
dem Gilbert erwartete, er würde jeden Moment auf sie
herabstoßen? Hatte er sich ein paar Dutzend Schritte
entfernt inmitten des hohen Grases zum Sterben niedergelegt und es versäumt, Gilbert Bescheid zu sagen? Der
junge Mönch suchte über eine Stunde und rief Morysons
Namen, während ihm der Schweiß übers Gesicht rann.
Was würde Artor von ihm denken, wenn er den alten
Narren verlor? Bis auf weiteres stellte Moryson seine
gesamte Anhängerschaft dar, und so wenig Gilbert den
alten Mann leiden konnte, so konnte er es sich wiederum
kaum leisten, ihn zu verlieren.
Aber gerade als Gilbert glaubte, Moryson sei endgültig verschwunden, drehte er sich um und sah sich dem
Alten gegenüber, der über die Ebene auf ihn zuhumpelte,
das Gesicht zu einer reumütigen Grimasse verzogen.
»Es liegt an meiner Verdauung«, erklärte Moryson
hastig. »Ich bin ein alter Mann, und manchmal tröpfeln
stundenlang Flüssigkeiten aus meinen Eingeweiden. Ah,
sehe ich da mein Pferd hinter Euch?«
Grün im Gesicht wandte sich Gilbert ab und fragte
nicht wieder nach, wenn Moryson verschwand –
gewöhnlich des Nachts, aber durchaus auch ein- oder
zweimal während des Tages. Das Leiden des alten
Mannes ekelte ihn an. Artor gewähre mir anhaltende
Gesundheit mein ganzes Leben lang, betete er, wann
immer Moryson zurück ins Lager getaumelt kam, das
Gesicht fahl und naß vor Schweiß.
    Eine Weile zogen sie nach Norden, dann in nordöstliche
Richtung, so wie Artor es befohlen hatte. Zehn Tage
nach ihrem Aufbruch in göttlicher Mission trafen sie auf
einen anderen Bruder des Seneschalls, einen vertriebenen
Pflughüter. Er verbarg sich im Gras, so dicht an den
Boden geduckt wie möglich, und spähte verängstigt auf
die herannahenden Reiter.
    Gilbert straffte die Schultern und sprach so befehlsgewohnt, wie er nur konnte. »Steht auf, Mann. Wie heißt
Ihr? Wo kommt Ihr her?«
    Der Pflughüter, ein dünner Mann mittleren Alters,
lugte unter seinem Arm hervor, wagte es jedoch nicht,
seine unterwürfige Haltung aufzugeben. »Man nennt
mich Finnis, guter Herr, und ich bin nichts als ein armer
Schafhirte, der von der Ebene zum Markt unterwegs ist.«
    Gilberts Lippen kräuselten sich. »Nun, gut, Finnis, wo
sind dann Eure Schafe? Und was ist das für ein stoppeliger Fleck mitten auf Eurem Kopf – doch nicht etwa eine
Tonsur, die herauswächst?«
    Eilig verbarg Finnis sein Haupt so gut wie möglich
unter seinem Arm, wobei er ein jämmerliches Quieken
von sich gab.
    Gilbert trieb sein Pferd näher an den Mann heran.
»Steh auf, Finnis, und begrüße deinen Bruderführer.«
Nur langsam und zögerlich wagte Finnis einen Blick
unter seinem Arm hindurch. »Bruderführer?«
»Bruderführer Gilbert, Mann. Steh endlich auf!«
Finnis fiel beinahe vornüber bei dem Versuch, auf die
Beine zu kommen. »Aber … aber … ich dachte …«
»Nun, dann hast du falsch gedacht, du Dummkopf.
Der Seneschall durchlitt niemals dunklere Tage als diese,
aber dank der Gnade und der Stärke Artors

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