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Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05

Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05

Titel: Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
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konnte – aus der
Zeit, als Lieder und Musik so selbstverständlich waren,
daß man sein Leben ihren Strophen und ihrem Rhythmus
folgend lebte.
Frau Renkin erinnerte sich an eine Ära, als die Sterne
näher waren und mehr Götter als nur Artor über die Erde
wandelten.
Bei diesem Gedanken stampfte die Bäuerin plötzlich
mit dem Fuß auf den harten Boden. »Und verdammt sei
der Pflug«, murmelte sie, »denn er hat nichts weiter
fertiggebracht, als den Rücken meines lieben Mannes zu
brechen und seine Füße Tag für Tag im Dreck festkleben
zu lassen.«
Nach einem Marsch von etlichen Tagen, oder verstrichen mehr – sie selbst war so sehr in ihren Erinnerungen
gefangen, daß sie jedes Zeitgefühl verlor – näherte sich
Bäuerin Renkin dem Wald der Schweigenden Frau. Viele
Stunden lang verharrte sie an seinem südlichen Saum und
starrte in seine dunklen Tiefen.
Ihr ganzes Leben lang hatte man ihr beigebracht, die
Wälder zu hassen, die einst dieses Land bedeckt hatten,
aber die Bäuerin verspürte keinen Haß, als sie die
Bäume musterte. Die Lehren des Seneschalls hatten für
sie inzwischen soviel an Bedeutung verloren, daß sie
nur dastand und voller Bewunderung staunte; denn die
Tiefen des Waldes wirkten weniger dunkel als vielmehr angenehm schattig und boten Schutz vor der
Sonne.
Und die Bäume sprachen zu ihr, obwohl sie keine
Worte hörte.
Nach einer Weile nickte die Bäuerin, dann drehte sie
sich um und schlug den Weg nach Nordosten ein, wobei
sie ihr Bündel der Bequemlichkeit halber schulterte.
Am nächsten Tag erreichte sie den ersten von der
Baumfrau eingesetzten Schößling.
Die Bäuerin stand da und schaute das Pflänzchen eine
lange, lange Zeit an. Armes Ding, das hier in der Ödnis
inmitten von Gräsern, die dreimal so hoch sind, ums
Überleben kämpft. Verloren und einsam, ganz so, wie
sich die Bäuerin die Dame Faraday vorstellte.
Sie brummte vor sich hin und kratzte sich das Kinn,
während sie nachdachte. Sollte sie jetzt nicht etwas
unternehmen? War da nicht etwas an diesen Setzlingen,
an das sie sich erinnern sollte? So verloren, so einsam,
ums Überleben kämpfend in dieser kalten Erde?
Der Bäuerin Renkin kam ihr erstes Kind in den Sinn,
ihre Tochter, die so winzig und schwach zur Welt kam,
daß niemand an ihr Überleben glaubte. Nächtelang hatte
die Bäuerin in ihrem Bett gesessen, den schnarchenden
Ehemann an ihrer Seite, das Kind in den Armen, das am
Leben bleiben sollte. Dann, als das Licht der Morgendämmerung durch die Türritzen kroch, summte die
Bäuerin zögernd und nachdem sie sich vergewissert
hatte, daß ihr Mann noch fest schlief, ein aufmunterndes
Wiegenlied, an das sie sich noch von ihrer Großmutter
her erinnerte. Dabei handelte es sich um eine schöne
Weise, und das Kind schöpfte wohl Mut und gedieh von
diesem Morgen an.
Als ihre anderen Kinder geboren wurden, summte
ihnen die Bäuerin in den ersten Stunden ihres Lebens
jenes Wiegenlied vor, wobei sie sich jeweils vergewisserte, daß ihr Mann außer Hörweite war. Keines ihrer
Kinder starb an den Krankheiten, welche die Sprößlinge
ihrer Nachbarn dahinrafften. Artors Glück, meinten ihre
Nachbarn neiderfüllt, aber inzwischen wußte die Bäuerin
besser Bescheid, genauso wie sie jetzt spürte, daß dieses
rührende kleine Pflänzchen das alte Wiegenlied ebenfalls
benötigte, um ermutigt zu werden, festen Fuß im
Erdreich zu fassen.
Also summte die Bäuerin die Weise vor sich hin, und
nachdem sie sie beendet hatte, beugte sie sich nieder, um
dem Schößling ermutigend über die obersten Blätter zu
tätscheln.
»Liebes kleines Ding. Eure Mutter liebt Euch.«
Dann ging Frau Renkin weiter, bis sie den nächsten
Setzling erreichte, dann den nächsten und übernächsten,
und immer wieder sang sie das uralte Wiegenlied über
ihre Blätter, streichelte sie und sagte ihnen, daß die
Mutter sie liebe.
Und so hielt es die gute Bauersfrau nun bei allen
Setzlingen.
Als sie am folgenden Morgen erwachte und sich aufsetzte, blinzelte sie und staunte vor Überraschung.
    Sie mied die Alten Grabhügel, aber nicht etwa aus Furcht
vor den Vogelmenschen, die sich dort aufhielten, oder
wegen der blauen Flamme, nicht einmal wegen der
unverhüllten Macht, die die Gräberanlage beherrschte,
sondern weil sie die Herrin Faraday einholen wollte. Und
die Bäuerin spürte, daß ihr die Edle inzwischen höchstens ein paar Tage voraus war.
    Die Zauberer standen jedoch auf den Gipfeln der
Hügel und schauten

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