Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05
verhielt Frau Renkin sich still. Faraday machte
ihr große Freude. Seit die Bäuerin mit ihr durch die
Lande zog, hatte die Baumfreundin ihre Hagerkeit
verloren und auch wieder Farbe bekommen. Auch nahm
sie klaglos die Kräuter, die Frau Renkin ihr verabreichte.
Was für ein Glück für sie, daß ich gekommen bin, dachte
die gute Bäuerin. Diese vornehmen jungen Damen
mögen ja alle wohlerzogen und eine Augenweide sein,
aber sie brauchen dennoch eine gute und bodenständige
Frau an ihrer Seite, die sich um sie kümmert und ihnen
sagt, was gut für sie ist.
Faraday hob in diesem Augenblick den Kopf und
lächelte über die Worte ihrer Begleiterin. »Es ging alles
wie von selbst, ist einfach herausgeflutscht? Na, da hoffe
ich aber sehr, daß Ihr nicht geflunkert habt. Und jetzt
helft mir bitte … Ich fürchte, meine Knie sind von dem
ständigen Kauern und wieder Aufstehen schon so kaputt,
daß selbst der beste Heiler sie nicht mehr richten kann.«
Die Bäuerin half ihr auf. »Heute erwarten Euch nur
noch ein paar Setzlinge, meine Liebe. Würde es Euch
etwas ausmachen, wenn ich für ein Stündchen oder zwei
verschwinde, um mir die Schlucht dort drüben anzusehen?«
Faraday warf einen Blick in die Bergsenke. Lang,
schmal und düster zog sie sich dahin. Zweifellos
wuchsen dort die verschiedensten Kräuter. Sie bedeutete
der Bäuerin zu gehen. »Aber nein, geht nur. Ich hoffe, Ihr
findet etwas Würziges, damit unser Abendbrot noch
schmackhafter wird.«
Frau Renkin lächelte und knickste vor der Edlen.
»Und vielleicht auch noch etwas von der Klauenblattminze für Euren Morgentee, Herrin?« Sie klopfte ihr
noch einmal auf die Hand und brach dann auf.
Die Edle sah der Bäuerin nach. Lehm klebte überall an
ihren Stiefeln, aber bei keinem ihrer Schritte hinterließ
sie kleine Häufchen oder Bröckchen.
»Los, Faraday«, ermahnte sich die Edle, als Frau
Renkin hinter den Farnwedeln verschwunden war,
»Abend will es wieder werden, und Meera, Borsth und
Jemile warten noch darauf, eingesetzt zu werden.« Sie
schnalzte den Eseln freundlich zu und setzte dann ihren
Weg fort.
Faraday konnte stolz auf ihren Erfolg sein. Von Arken
aus waren sie und Frau Renkin nach Norden abgebogen
und hatten unentwegt weiter Bäumchen eingepflanzt.
Und seitdem die Ausläufer der Farnberge erreicht waren,
wandten sie sich wieder nach Nordwesten.
Ich setze die Schößlinge den ganzen Weg bis zum
Farnbruchsee ein, nahm sich die Edle vor, und dann kann
ich in den heißen Sommermonaten in den schattigen
ikarischen Städten Spazierengehen, von denen ich schon
so viel gehört habe. Seit zwei Wochen flog ein ständig
wachsender Strom von Vogelmenschen über ihnen am
Himmel. Viele von ihnen winkten den beiden Frauen zu,
und einige landeten sogar auf ein Schwätzchen bei ihnen.
Faraday konnte es kaum erwarten, sich mit eigenen
Augen davon zu überzeugen, was die Ikarier im Westen
wiederentdeckt hatten.
Und von dort würde sie sich zum Farnbruchsee und
zur Mutter begeben. Faraday atmete etwas schneller, weil
diese Vorstellung sie so sehr mit Freude erfüllte. Zur Zeit
des Jultidenfestes würde sie hoffentlich dort anlangen
und sicher einige Awaren begrüßen können.
Die Edle lächelte. Was würden die Waldläufer wohl
von Frau Renkin halten? Und wie würde die gute Bäuerin
diesen Wesen begegnen? Faraday wußte natürlich nicht,
wie die Awaren und die Ikarier so weit vom Erdbaum
entfernt das Jultidenfest begehen würden. Aber gleich wie,
Faraday glaubte zu wissen, daß sie dort wieder ein ebenso
schönes wie bewegendes Erlebnis erwartete.
Faraday drehte sich um. Die Sicht wurde von den
niedrigen Hügeln versperrt, aber hinter ihnen bemerkte
sie ein grünes Leuchten. Das war das Bardenmeer, das
sich nun in einem weiten Bogen über die Ebenen von
Tarantaise und Arken erstreckte. Sie hörte schon das
leise Summen der Bäume und wußte, wenn sie morgen
erwachte, würden die heute gesetzten Schößlinge zu ihrer
vollen Größe angewachsen sein. Ihr Gesang würde
fröhlich erklingen, und in gar nicht ferner Zukunft würde
das Bardenmeer bis tief in die Farnberge hineinreichen.
Munter vor sich hinpfeifend wanderte die Bäuerin durch
das Tal. Seit dem heimtückischen Überfall in der
Markthalle von Arken hatte sie längst wieder zu ihrer
gewohnt guten Laune zurückgefunden. Was für eine
unangenehme Überraschung das gewesen war! Frau
Renkin glaubte auch heute noch fest daran, daß sie an
jenem Tag einen
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