Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05
verschachern.
»Genug«, erklärte er zur Verwunderung der anderen
beiden, »wir müssen Pläne schmieden. Timozel, erlaubt
mir, daß ich Euch von der Armee berichte, die Ihr
befehligen sollt.«
Die nächste Stunde verbrachte Gorgrael damit, Timozel umfassend darüber in Kenntnis zu setzen, und die
Aufregung des jungen Mannes wuchs. Welch eine Armee
ihm der großmächtige Fürst anvertraute! Während des
vergangenen Jahres hatte Gorgrael gewisse Veränderungen in seiner Streitmacht vorgenommen. Die Skrälinge
waren nicht länger die substanzlosen Geister, wie
Timozel sie noch beim Kampf um Gorken erlebt hatte.
Jene Kreaturen, die sich durch einen Stich in die Augen
erledigen ließen. Inzwischen bestanden sie aus Fleisch
und Blut, und eine knöcherne Rüstung umschloß sie so
vollständig, daß sie nahezu unverwundbar waren und
kaum getötet werden konnten.
Die Eiswürmer hatte er größer und viel beweglicher
herangezüchtet als ihre Vorgänger, und ihr Zahl übertraf
nun alles bisher Dagewesene.
»Über das Wetter gebiete ich ebenfalls«, schloß Gorgrael. »Mittlerweile verfüge ich über die Macht, Eis und
Wind so gut wie vollständig zu beherrschen.«
Der Dunkle nickte still in sich hinein. Gorgraels awarisches Blut machte sich bemerkbar. Mit dessen Hilfe
und mit seiner Fähigkeit, die Dunkle Musik anzuwenden,
vermochte Gorgrael eine Eishölle über dem größten Teil
des nördlichen Achar zu entfesseln, das man jetzt
Tencendor nannte. Lieber Mann war zufrieden mit der
Arbeit, die sein Lehrling dort leistete. Noch vor zwei
Jahren waren Gorgraels Fähigkeiten auf diesem Gebiet
noch zu stark von Zufällen abhängig gewesen und hatten
nur selten die gewünschten Ergebnisse erzielt. Inzwischen beherrschte er diese Kunst nahezu vollkommen.
»Dann wärt Ihr gut beraten, einen Teil Eures Eises so
bald wie möglich gen Süden zu schicken«, erklärte
Timozel.
Gorgrael runzelte die Stirn. »Jetzt schon?« Er war
davon ausgegangen, daß der Jüngling erst wenigstens ein
bis zwei Wochen benötigen würde, um sich mit seinem
Skrälingenheer vertraut zu machen und die Truppe für
sich zu gewinnen.
»Axis wird einen Großteil seiner Armee nach Norden
marschieren lassen, großmächtiger Fürst. Wir können
von Glück sagen, daß er damit noch nicht begonnen hat.
Wenn Ihr das Eis unverzüglich nach Süden schickt –
möglichst bis zu den West- und den Farnbergen – dann
werden die Flüsse, die Euch soviel Ärger verursacht
haben, zu Eis erstarren. Und wenn der Nordra gefriert,
dann können Axis’ Truppen bestenfalls im Kriechtempo
nach Norden vordringen.«
»Ja. Ja!« rief Gorgrael. »Euer Vorschlag gefällt mir
gut.«
Timozel betrachtete seinen neuen Herrn. Er erinnerte
sich vage daran, Gorgrael einst für eine schrecklich
deformierte, ekelerregende Kreatur gehalten zu haben.
Allein schon sein Äußeres legte nahe, daß es sich bei ihm
um die Verkörperung des Bösen schlechthin handelte.
Aber nun erschien der Zerstörer ihm edel, und seine
seltsame Gestalt ließ ihn um so mächtiger erscheinen,
nicht etwa häßlich oder abstoßend.
»Und Eure Eisspeere, Herr, warum habt Ihr sie nicht
gegen Axis benutzt? Damals vor den Grabhügeln der
alten ikarischen Zauberfürsten habt Ihr einmal den
Versuch unternommen, Axis mit dieser Waffe zu töten.
Und vor der Feste Gorken hättet Ihr sie ebenfalls zu
Eurem Vorteil einsetzen können. Wenn Ihr wieder auf
die Eisspeere zurückgreift, dann werden sie unter Axis’
Truppen große Verheerungen anrichten, dessen bin ich
gewiß – und stellt Euch nur vor, wie diese Geschosse die
Luftarmada der Ikarier aufspießen könnten!«
Gorgrael wirkte jetzt aber weniger begeistert, als
vielmehr verlegen. »Na ja, ich muß zugeben, Timozel,
daß ich mich bei den Grabhügeln gewaltig überschätzt
habe. Damals verfügte ich über weniger Macht als heute.
Aber ich fürchte, ich bin nicht mehr in der Lage, die
Eisspeere einzusetzen, obwohl sie eine solch hübsche
Erfindung waren.«
»Aber warum denn nicht, großmächtiger Fürst, wenn
doch Eure Macht inzwischen so viel größer ist?«
Gorgrael grinste in sich hinein, und auch der Dunkle
lächelte, weil er wußte, woran sein Lehrling jetzt dachte.
»Weil ich Euch noch ein weiteres Geheimnis enthüllen
muß, Heerführer. Dabei geht es um die Waffe, mit der
ich Axis und seine Armee todsicher vernichten werde.«
Er klackte mit den Klauen, und Timozel hörte, wie
sich in einer der dunkleren Ecken des
Weitere Kostenlose Bücher