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Das Vermächtnis

Das Vermächtnis

Titel: Das Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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vom Hägs-Ga’ betroffen. Als ich in die große Haupthöhle trat, kam ich an einer Fleckenkäuzin vorbei, die beißend nach Krähe roch. Bei ihr schimmerte das Gelb in den Augen noch viel stärker durch.
    Die lodernden Augen eines Hägsdämons sind ein Furcht einflößender Anblick. Es heißt sogar, man könne blind werden, wenn man einem Dämon in die Augen schaut. Ich glaube aber eher, dass man in eine Art Starre verfällt, vergleichbar mit der Flügelstarre. Doch ich war vorbereitet. Unterwegs hatte ich unauffällig meine Eiswaffe hervorgeholt und unter meinen dritten Zeh geklemmt. Ich musste nur noch dicht genug an die Glauxissin herankommen.
    Da geschah etwas Seltsames. Plötzlich war die Luft in der Höhle aufgeladen wie vor einem Gewitter. Ich wusste sofort, was das zu bedeuten hatte. Zwei Arten mächtiger Magie bekämpften einander: die Hägsmagie der Dämonen und meine eigenen Zauberkräfte, für die ich noch keinen Namen hatte. Dann war auf einmal die ganze Höhle in gelbes Licht getaucht. Die Augen der Glauxissin loderten. Sie kam auf mich zu.
    Sie will mich blenden! , ging es mir durch den Kopf. Ich darf nicht zurückweichen. Ich muss sie näher kommen lassen. Meine Flügel hingen kraftlos hinunter. Konnte man denn auch am Boden flügelstarr werden? Aber nein, es war mein Magen, der wie gelähmt war. Mein Magen! Ich geriet in Panik. Zugleich wurde ich immer benommener, ganz ähnlich wie damals in den Hinterlanden, als mich die Glut in ihren Bann geschlagen hatte. Damals hatte ich mir geschworen, dass mir so etwas nie wieder passieren sollte.
    Doch was war das? Auf einmal sah ich Fengo vor mir. In seinen Augen spiegelte sich wie bei unserer ersten Begegnung die Glut von Hoole. Das gelbe Leuchten ringsum wurde schwächer. Jetzt! Ich stürzte mich auf die Glauxissin und stieß ihr die spitze Eisklinge in den Magen. Das gelbe Leuchten erlosch und mir wurde schwarz vor den Augen.

War ich tot oder träumte ich? Mir war, als hätte ich meinen Körper verlassen und flöge hoch oben am nächtlichen Winterhimmel. Doch wo war ich? Der Mond verdunkelte sich. Zog ein Schwarm Fledermäuse daran vorbei? Nein, für Fledermäuse hatten die Geschöpfe zu große Flügel. Ihr struppiges Gefieder war rabenschwarz. Es mussten Dämonen sein. Trotzdem empfand ich keine Angst. Ich schaute nach unten. Der Dämonenschwarm kam von der Insel der Glaux-Schwestern.
    Ich erwachte. Ich lag in einer unterirdischen Höhle – im Speisesaal ebenjener Glaux-Schwestern. Es dauerte eine Weile, bis ich wieder richtig scharf sehen konnte. Meine Augen brannten, als hätte ich in viel zu helles Licht geschaut. So ergeht es manchmal Kriegern, die tagsüber kämpfen und dem vom Gletschereis verstärkten Sonnenlicht ausgesetzt sind. Jetzt erkannte ich lauter zusammengesackte Gestalten, die um mich herum auf dem Boden lagen. Beim Glaux! Die Schwestern sind alle tot! Die Dämonen haben sie umgebracht. Wie zum Beweis roch ich plötzlich Krähengestank und eine struppige schwarze Feder schwebte auf mich nieder.
    Da regte sich die Eule neben mir. Es war die Glauxissin. Sie hob den Kopf und ließ ihn stöhnend wieder sinken. Aus ihrem Bauch ragte der Eissplitter. Ich rappelte mich hoch und beugte mich über sie. „Rorkna?“
    „Ja, so heiße ich. Was ist hier passiert? Wo sind meine Mitschwestern?“ Sie hob abermals den Kopf und ließ den Blick durch die Höhle wandern. „Meine armen Schwestern!“, rief sie klagend aus.
    „Ganz ruhig“, beschwichtigte ich sie. „Deine Mitschwestern sind genauso wenig tot wie du.“
    „Mein Magen tut fürchterlich weh.“
    „Da kann ich Abhilfe schaffen.“ Ich hob einen Kieselstein auf. „Nimm den in den Schnabel und beiß fest drauf. Ich ziehe dir den Eissplitter aus dem Magen.“
    „Ich habe einen Eissplitter im Magen?“, fragte sie ungläubig. „Warum bin ich dann nicht tot?“
    „Das erkläre ich dir später. Jetzt beiß auf den Stein.“
    Sie gehorchte und ich zog den Splitter mit einem entschlossenen Ruck heraus. Die Glauxissin stieß einen lauten Schrei aus und wurde ohnmächtig. Im selben Augenblick hörte ich um mich herum Gefieder rascheln. Die anderen Glaux-Schwestern erwachten. Der böse Bann war von ihnen gewichen. Eine Eule nach der anderen kam auf die Füße und schüttelte sich, als hätte sie tief und fest geschlafen. Indem ich die Glauxissin erlöste, hatte ich auch sie erlöst.
    „Wie viele Monde waren wir tot?“, fragte die eine.
    „Waren wir denn tot?“, fragte eine andere

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