Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermächtnis

Das Vermächtnis

Titel: Das Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
Vom Netzwerk:
zurück. „Ich dachte, wir haben geschlafen.“
    Die Glauxissin schlug die Augen auf und sagte staunend: „Was geht hier eigentlich vor?“
    Ich stand vor einer schwierigen Entscheidung, lieber Eulenleser. Ich konnte den Schwestern nicht frei heraus sagen, was wirklich geschehen war. Wie schon erwähnt, waren sie der Überzeugung, dass die Dämonen eine Strafe für den mangelnden Glauben an Glaux waren. Hätte ich ihnen erklärt, dass ein Dämon in ihre Gemeinschaft eingedrungen war und sie verflucht hatte, hätten sie gedacht, ihr Glaube sei nicht stark genug. Den verräterischen Krähengeruch, der immer noch in der Luft hing, nahmen sie offenbar nicht wahr. Dass ich ihn witterte, musste an meinen durch die Glut geschärften Sinnen liegen.
    Ich ersann rasch eine Notlüge. Ich behauptete, der stürmische N’yrthnuukah, der um diese Jahreszeit blies, versetze manche Eulen in einen todesähnlichen Schlaf. Das war natürlich erfunden, aber ich handelte in bester Absicht.
    Wir unterhielten uns lange. Ich hatte viele Fragen an die Schwestern und die Schwestern genauso viele an mich. Geduldig erklärte ich ihnen immer wieder, wer ich war und wo ich herkam.
    „Ach richtig“, sagte die Glauxissin schließlich, „jetzt fällt mir wieder ein, dass Siv bei ihrem Besuch im letzten Sommer von dir gesprochen hat. Du bist der beste Freund von H’rath und Siv, nicht wahr?“
    „Das ist richtig, Schwester. Deswegen bin ich auch hier. Hat sich bis zu euch herumgesprochen, dass König H’rath in der Schlacht gefallen ist?“
    „Ja, davon haben wir gehört. Es tut mir furchtbar leid für meine Cousine. Weißt du vielleicht, wo sie sich jetzt aufhält?“
    „Das wollte ich Euch fragen.“
    „Mich?“
    „Habt Ihr gewusst, dass Siv und H’rath ihr erstes Küken erwarten?“
    „Nein!“ Rorkna machte große Augen und durch die Reihen ihrer Mitschwestern ging ein Raunen.
    „Ich dachte, die Königin hätte bei Euch Zuflucht gesucht, aber das hat sie nicht, oder?“
    „Ich glaube nicht … aber wir haben ja geschlafen.“ Die Glauxissin schaute in die Runde. „Waren die Beeren, die wir letzten Sommer eingelagert haben, womöglich verdorben, Schwester Lydfryk? Ich weiß, Gränk glaubt, dass der N’yrthnuukah schuld ist … aber es könnte doch auch an den Beeren gelegen haben.“
    Ich versuchte wieder auf meine Frage zurückzukommen. „Ihr glaubt also nicht, dass Siv und ihr Ei kürzlich hier waren?“
    „Bestimmt nicht! Ich müsste mich doch daran erinnern, wenn mir meine Cousine ihr erstes Ei präsentiert hätte.“ Die Glauxissin tschurrte belustigt.
    Eine zierliche Elfenkäuzin meldete sich zu Wort. „Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass uns die Königin mit ihrem Ei besucht hat. Aber hat nicht neulich eine alte Stromerin an unsere Pforte geklopft?“ Sie drehte sich zu einer Streifenkäuzin um, die noch ziemlich benebelt wirkte. „War das nicht so, Schwester?“
    „Jetzt, wo du es sagst … Die Stromerin hat uns ein Lied vorgesungen, nicht wahr?“ Die anderen Schwestern nickten eifrig.
    „‚Unser Nest ist die Welt ‘  … ging es nicht so?“
    „Genau. Schön war das. Ein bisschen unrealistisch, aber schön.“
    Siv war also nicht hier gewesen. Ich hatte mich getäuscht. Ich wandte mich wieder an Rorkna. „Ihr kennt Siv doch gut, Schwester. Wo würde Eure Cousine sich hinflüchten, wenn sie auf sich gestellt ist und ihr erstes Ei beschützen muss?“
    Rorkna knackte nachdenklich mit dem Schnabel. „Ich hätte auch angenommen, dass sie zu mir kommt. Aber das war ja offensichtlich nicht der Fall … Als sie im Sommer hier war, erzählte sie mir unter vier Augen, dass H’rath und sie einen schönen Zweitwohnsitz irgendwo in den Eisklippen entdeckt haben. Ich empfand ihr Vertrauen als große Auszeichnung.“
    Der Eisklippenpalast! Darauf hätte ich auch von allein kommen können. Der Glauxissin war nicht entgangen, dass meine Augen hell aufleuchteten. „Du weißt, wovon ich spreche?“, fragte sie.
    „Und ob!“
    „Wenn du hinfliegst, richte meiner Cousine doch bitte aus, dass sie hier immer willkommen ist. Die Zeiten sind unruhig, aber ich glaube nicht, dass irgendwer es wagen würde, unsere Gemeinschaft anzugreifen.“
    „Auf keinen Fall!“, pflichteten ihr die anderen Schwestern bei.
    „Bestimmt nicht“, schwindelte auch ich und kreuzte dabei verstohlen hinter dem Rücken die Zehen. Ich hatte schon wieder gelogen, aber nur in bester Absicht.

Die Nacht, in der ich die Insel der

Weitere Kostenlose Bücher