Das Vermaechtnis
Seite des Pferdes. Er streifte vorsichtig den Sand von der Haut seines Sohnes und gab ihm kleine Schlücke Wasser. Seine Lebensgeister kehrten zurück. Das Pferd grub er aus. Auch dessen Leben kehrte wie ein Wunder zurück, sodass sie langsam den Weg heimwärts ziehen konnten.
Seit diesem Ereignis ging es seinem Sohn zusehends schlechter. Er konnte es immer noch nicht glauben. Sein Sohn war doch königlichen Blutes! Der Sand konnte es doch nicht gewesen sein? Der Sand konnte ihm doch nicht das Fieber gebracht haben? Der Sand konnte doch nicht schuld sein? Er selbst konnte doch nicht schuld sein… Tot war er. Weg war er. Einfach weg. Burgon-Amenhotep III fühlte sich, als hätte man ihm ein Teil seines Lebens, seiner Seele herausgerissen.
Sein zweitgeborener Sohn sollte nun das große Amt des Pharao übernehmen. Oh, wie betrübte ihn das. Choi-Amenhotep IV , der baldige Choi-Echnaton . Diese Ungestalt, dieser Andersartige, diese weiche unförmige Person war kein Mann, kein Herrscher, wie er, der große Burgon-Amenhotep III, es sich vorstellte. Nie hatten sie ihn mitgenommen, auch wenn seine Frau, die große Pharaonin Hanaskea-Teje , immer wieder versuchte, ihn schönzureden. Er achtete Hanaskea-Teje , wie er keine andere Frau achtete. Doch dieser eine Punkt, an diesem einen einzigen Punkt setzte er sich durch, denn er schämte sich seines zweitgeborenen Sohnes und grenzte ihn von allen öffentlichen Veranstaltungen aus. Gimra-Thutmosis hingegen war, kaum dass er laufen konnte, an seiner Seite. Als sein zweiter Sohn geboren wurde, kümmerte er sich umso mehr um seinen erstgeborenen, seinen zukünftigen Nachfolger. Wie fleißig war dieser Junge. Und lehrsam. Er war so zerbrechlich, die Knochen so fein, aber innerlich, innerlich war er stark wie ein Löwe, innerlich kämpfte er unermüdlich. Er wollte immer alles wissen, und verstehen. Das freute das Herz seines Vaters, denn Kinder, die viel fragen, werden viel wissen. Das allein bewies, dass er der erwünschte Thronfolger sein würde.
Immer, wenn Burgon-Amenhotep III später so dasaß in seiner lähmenden Traurigkeit, hing er seinen Erinnerungen an seinen kleinen Thronerben nach:
Einmal kam der kleine Gimra-Thutmosis zu seinem Vater. Burgon-Amenhotep III hörte ihn schon von weitem, wie er über den Innenhof durch die große Halle gelaufen kam. Ohne Pause, denn es drängte ihn wohl wieder eine Frage. Dann gab es für ihn kein Halten. Das kannte er schon. Es freute ihn, aus seinem Gespräch mit Rosuran-Eje , einem engen Vertrauten, über seine Grabanlage im westlichen Teil von Theben herausgerissen zu werden, denn Grabesplanungen empfand er seit dem Tod seines Vaters stets als das Anstrengendste aller Aufgaben eines Pharao. Er hatte seinen Vater über alles geliebt. Er war erst zwölf Jahre alt, als er starb und er das hohe Amt übernehmen musste. Seinem Sohn wollte er alles geben, so lange er lebte und so er im Palast war und nicht auf einer seiner vielen Reisen. Zudem war ihm Rosuran-Eje fast zu überfleißig, zu engagiert, bedrängte ihn förmlich mit seinem Kümmern. Rosuran-Eje , ein naher Verwandter seiner geliebten Gemahlin Hanaskea-Teje , kam aus der gleichen Region wie sie. Er war, wie sollte er seine Empfindungen ausdrücken, er kam ihm nicht aufrichtig vor, als würden nicht Loyalität und Liebe dem Pharao, dem Gottkönig gegenüber seinen Über-Fleiß bestimmen, sondern andere, tief in seinem Inneren verborgene Ziele. Ehrgeizig war der sehr Dunkelhäutige. Aber auch wiederum durchaus charmant, das musste er zugeben. Er überspielte sein Geheimnis, was immer es war, gekonnt. Was die Arbeit anging, mochte Burgon-Amenhotep III ihn schon auf eine gewisse Art. Es war sehr bequem für ihn, da er alles aufs Beste erhielt, was er forderte.
Doch er behielt Vorsicht. Er vertraute ihm, aber beobachte ihn. Für ihn sprach wiederum, dass sein geliebter Sohn Gimra-Thutmosis ihn sehr mochte. Er hatte das Gefühl, dass Rosuran-Eje tatsächlich die Liebe seinem Sohn gegenüber sehr ehrlich und aufrichtig meinte. Wenn es seinem Sohn einmal nicht gut ging, denn in letzter Zeit hatte er des Öfteren Probleme mit seiner Atmung, schien Rosuran-Eje ebenso besorgt und fast betrübt und schlich um seine Gemächer, bis Besserung verkündet wurde. Allerdings schien er ebenso seinen zweiten Sohn Choi-Amenhotep IV zu mögen, was er eigentlich nicht gutheißen konnte. Allerdings befreite ihn das auch wiederum von einer gewissen inneren Schuld, denn da war schließlich noch
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