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Das Vermaechtnis

Das Vermaechtnis

Titel: Das Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Scherer-Kern
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Euphrat oder wird bestenfalls bei seiner eigenen Familie unter dem Haus begraben und bleibt dort auf Ewig in der dunklen Unterwelt ohne Wiederkehr.
    So ist es, der Körper eines jeden vergeht und die Seele eines jeden geht über in diese finstere Tiefe, egal welches Leben und welches Ansehen der Mensch einmal hatte. Da es alle betrifft, ist es einerseits ein Trost, andererseits auch ein Schrecken, eine angstvolle und düstere Vorstellung des eigenen Endes und des Endes überhaupt.
    Schlussfolgernd muss man einfach in seinem Leben versuchen, das Bestmögliche daraus zu machen, damit man wenigstens in einem schönen Topf, in den man in Hockstellung und in saubere Kleidung gewickelt hineinkommt, um dann mit einem Palmenholzdeckel verschlossen senkrecht in die Erde gestellt zu werden, wohin auch immer. Am liebsten, wie schon erwähnt, in der Nähe oder direkt unter dem Haus, in dem man lebt beziehungsweise lebte. So hat man wenigstens das Gefühl, nach dem Tod noch in der Nähe der geliebten Menschen zu sein. Besser, als irgendwo in der Wüste vor sich hinzudörren.
    Wenn man an das trostlose Ende denkt, spornt es doch an, so man schon nicht direkt im Dienst der Götter steht, wenigstens als einfacher Bürger Babylons folgsam nach den Regeln der Götter zu leben, um im Leben wenigstens annähernd so etwas wie Spaß und Glück zu empfinden. Spaß und Glück erscheinen vielen Menschen eher wie kostbare Tropfen Rosenöls oder gar noch Jasminöls. Etwas, das wohl der einfache Bürger niemals besitzen, geschweige denn in den betörenden Genuss kommen würde.
    Nach den Regeln der Götter zu leben, das bedeutet, deren Zeichen zu erkennen und zu befolgen, keinen Zorn auf sich zu ziehen, sondern das Wohlwollen der Götter zu bewirken. Das Wohlwollen aber auch all derer, die in engem Kontakt mit ihnen stehen. Schlussfolgernd ist in Babylon das Wohlwollen der Priester unumgänglich und das allgemeine Leben bestimmend.
    So hat man, wenn man aufpasst, wenigstens im Leben ein einigermaßen gutes Auskommen. Doch es ist nicht einfach, das zu halten, stets und ständig. Es ist wahrhaftig nicht einfach.
    Ganz so hart, dass wir gleich an das trostlose Ende denken müssen, ist es soeben glücklicherweise – den Göttern sei Dank – nicht gekommen. Doch der Gedanke an den Tod und an den Zorn der Götter und die grundsätzliche Schuld des Menschen geht einem jeden in Babylon wohl mehrmals täglich durch den Kopf.
    Der schon etwas ältere Mann namens Tanobakt ist zwar verletzt, aber nicht schwer und schon gar nicht tot. Daher ist der Tritt des Kamels eher als Warnung zu bewerten und zu deuten. Er war vor seinen Marktstand getreten, um den beiden Söhnen von der hübschen Jaskula , die einen Stand mit einfachen Stoffen schräg gegenüber hat, mal eben in Kürze das Enûma elîsch , also die babylonische Schöpfungsgeschichte zu erzählen. Mal eben in Kürze geht bei dem Enûma elîsch nämlich gar nicht! Zugegeben, Tanobakt hatte eigentlich keine Lust gehabt, irgendetwas irgendjemandem zu erklären. Genau das war wohl gerade sein Fehler. Die Strafe traf ihn auch prompt.
    Er war zudem noch zu sehr mit seinem Ärger über alles beschäftigt. Er hasst diesen Lärm, dieses Gewühl, dieses Gewusel, dieses alles Angrabschen, dieses Besserwissen, dieses Feilschen, dieses Geschreie, Gegacker, Gemeckere, Geblöke, Gemöpe, diesen Staub, diese Gerüche dieser Massen von Mensch und Tier auf so beengtem Raum. Von Natur aus ist er ja an sich ein ruhiger, sehr friedfertiger Mann. Doch was zu viel ist, ist zu viel, und was zu laut ist, ist mehr als zu viel für den Mann mit den ungewohnt feinen, glatten, weiß-blonden längeren Haaren und der recht großen ausdruckvollen Nase.
    Nur wegen des Neujahrsfestes und der großen Prozessionen und Feierlichkeiten müssen für zwölf Tage alle Händler vor die Mauer der Stadt ziehen, um an dieser entfernteren Stelle ihre Waren feilzubieten.
    Natürlich beginnt der Kampf um die besten Plätze schon bevor Schamasch , die Sonne, sich am Horizont zeigt. Mitten in der Nacht war er, Tanobakt , von dem Weideplatz seiner Schaf- und Ziegenherde vor der Stadt, also weit vor der zweiten Mauer der riesigen Stadt Babylon mit seinem Eselskarren voller Felle und vier Ziegen zu seinem Platz auf dem provisorischen Marktgelände gekommen.
    Am ersten Tag hatte er einen perfekten Platz, gleich vor dem Tor an der Mauer. Dort hatte er über die meiste Zeit des Tages reichlich Schatten für sich und die Tiere. Den Tieren war es wohl egal,

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