Das Vermaechtnis
anhand der Tageslistentafeln wieder sehr gut neue Omina herauslesen kann. Das machen natürlich nicht wir Schreiber, dafür sind die Omen-Priester zuständig. Diese wiederum berichten dem König, wenn sich etwas Ungewöhnliches oder gar Bedrohliches ankündigt.“
„Was steht denn alles in diesen Tageslisten?“, will Elieanor-Adda-Guppi wissen. Der Schreiber ist immer noch und sehr offensichtlich ganz ergriffen von der Freude darüber, dass solch eine hohe Priesterin sich für seine Arbeit interessiert, und erzählt eifrig weiter:
„Das ist viel: Angefangen bei den Beobachtungen der Sternen-Priester, die von der Spitze des Turmtempels Ätämänanki jeden Tag und jede Nacht beobachten und alles in Ton festhalten.
Ich zähle einmal alles auf, was mir gerade dazu einfällt:
Der genaue Sonnenaufgang, wann und wo, und der genaue Sonnenuntergang, wann und wo. Das Wetter am Tag, das Wetter in der Nacht, alle Stürme, alle Unwetter, alle Überschwemmungen, alle Feuer und alle Regenbögen. Der genaue Aufgang des Mondes und der genaue Untergang des Mondes. Immer wann und wo. Zum Beispiel, dass der Mond um eine Elle am hinteren Stern an der Pfeilspitze des Schützen stand und um 5 Ellen über Venus oder eine Elle vor dem Stern am hinteren Fuß des Löwen . Wo die Planeten stehen zum Beispiel: Jupiter in Virgo , Venus im Skorpion , Saturn im Krebs , Mars im Schützen oder eben auch wenn sie nicht beobachtet werden, dann heißt es zum Beispiel ‚ Merkur untergegangen’ oder ‚nicht sichtbar’. Besonderheiten sind, wenn zum Beispiel Sonne und Mond sich gegenüberstehen und beide sichtbar sind, dann steht der Gott dem Gotte gegenüber. Wie die beiden Götter sich zeigen, bedeckt, mit einem Schleier, mit einem Lichtkranz. All das schreiben wir auf und noch vieles mehr.
Das Schöne ist, anhand dieser Listen kann man sehr viel vorausberechnen.
Mondfinsternisse zum Beispiel, denn die bringen meistens schlechte Omina für Könige, dass sie bald sterben würden oder Ähnliches. Dann müssen Omenpriester, Orakelpriester und Beschwörungspriester versuchen, das drohende Unheil mit all ihrem Können und Wissen abzuwenden. Priester entzünden überall in der Stadt Feuer. Die Menschen müssen ihr Angesicht mit Kleidern bedecken. Die Soldaten des Königs tauchen ihre Hände in Lehm und bestreichen vollständig ihr Gesicht. Gebete und Gesänge mögen dann die ganze Stadt erfüllen.
So kann der Mond besänftigt werden und er wird langsam wieder bereit sein, sein Gesicht den Menschen zu zeigen. Auch das alles wird aufgeschrieben, denn wenn es erfolgreich war, dann wissen sie beim nächsten Mal genau, wie sie wieder vorgehen müssen. Nun, wenn es nicht erfolgreich war, dann weiß man wenigstens, was nicht half…
Weiter führen wir den Stand des Flusspegels genauestens auf, um wieviel Finger er gestiegen oder gesunken ist, oder wenn es gar mehr als 24 Finger breit sind, dann in Ellen und Finger.
Der Wert des Getreides gemessen in Sekel Silber. 1 Sekel Silber lag am Anfang Nebukadnezars Regierung bei der Menge von 90 Sila [32] Getreide, jetzt hat sich der Wert bei 180 Sila stabilisiert. Das ist mein Bereich. Ich bin hier auf dem Markt, weil ich die heutigen Preise der verschiedenen Waren notiere: Gerste, Öl, Sesamöl, Datteln, Schweineschmalz, Wolle, Felle, Stoffe, Salz, Pfeffer, Pottasche, rohes Kupfer, bearbeitetes Kupfer, um nur einige zu nennen.
Der Stand der Löhne, so allgemein, was ein Tagelöhner bekommt für einen Monat Arbeit – einen Sekel Silber und 60 Sila Gerste zu seiner Verköstigung, das ist normal. Ein Schnitter erhält 24 Sila Gerste pro Tag; der Worfler, also der, der das Getreide reinigt, erhält 12 Sila Gerste pro Tag. Die Mieten für alles, das schreibe ich auch auf, wenn ich es erfahre. Derzeit hält sich alles recht stabil.
Und – du wirst lachen, auch die Zahl der Diebstähle muss ich notieren, um später zu prüfen, wann sie zu- oder abnahm und mit was dies eventuell in Verbindung stand.
Und die Bewegungen der Tiere und ihr Verhalten. Der Vorfall mit dem Kamel heute Morgen, das habe ich natürlich aufgeschrieben. Vor ein paar Tagen sorgte das Eindringen eines Fuchses in die Stadt für große Aufregung, noch dazu, dass dies mitten zu den Neujahrsfestlichkeiten geschah.“
Elieanor-Adda-Guppi lächelt:
„Davon hörte ich, und sie haben das Tier tatsächlich durch das Tor an der Brücke und über die Brücke durch die Oststadt wieder nach draußen treiben und somit Unheil verhindern können. Fast
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