Das Vermaechtnis
Seite: „Ich sah sie stolpern, da sie nicht vor ihre Füße schaute und wollte den Krug noch auffangen, doch ich war zu langsam“, versucht er etwas ungeschickt sie zu erklären. Das gefällt Rosuran-Amel-Marduk nur noch mehr.
Choi scheint er nun völlig vergessen zu haben, so fixiert er Aleyna und hört nur am Rande, was Burgon sagt.
Rosuran-Amel-Marduk lächelt und redet nun ganz langsam, sehr, sehr langsam: „So, ein Täubchen wie du erhebt sich gegen einen Adler! Was ist nur heute hier los? Du bist genau das richtige Opfer für seine Herrlichkeit, das wird sein Gemüt besänftigen.“ Er spielt mit einer grausamen Lust mit seinem zarten Opfer. „Ich nehme dich mit als seine hübsche Wüstenblume, auf den Turm, in seinem goldenen Bett darfst du auf den Gott warten bis er über dich kommt!“
Das war für Burgon zu viel. Er spürt diese furchtbaren Blicke und baut sich vor dem höchsten Priester Marduks auf in der ganzen Größe seines äthiopischen Körpers und spricht von oben mit mächtiger Stimme zu Rosuran-Amel-Marduk :
„Die Gesetze sind die Fundamente dieser Stadt, der Stadt unseres Herrn Marduk . Dieses Mädchen verstieß in keinster Weise gegen irgendein Gesetz. Sie stolperte, mehr nicht. Es gibt viele, die es bezeugen. Auch vor Gericht. Dafür sind sie da. Wenn irgendetwas unrecht gewesen sein soll, so wird das Gericht entscheiden. Es sind die Worte des Königs, die Recht sprechen über sein Volk. So lasst, wie es das Gesetz will, den König sprechen. Mit welchen Worten ließ der große König Hammurabi das große Gesetz beginnen: Als Marduk mich beauftragte, die Menschen gerecht zu leiten und dem Lande Ordnung zuzuweisen, habe ich Recht und Gerechtigkeit in den Mund des Landes gelegt und für das Wohlsein der Menschen sorgte ich gut. [33] Ist es nicht unser König Nebukadnezar , möge Marduk sein Leben verlängern, der die Gesetze des Hammurabi ehrt und der ebenso gerecht und klug wie dieser die Geschicke unserer Stadt lenkt?“
Rosuran-Amel-Marduk zuckt und wippt.
Jaskula starrt Rosuran-Amel-Marduk an. Aus irgendeinem Grund kann sie nicht reagieren; allein Elieanor-Adda-Guppi geht hinüber, tritt neben Burgon , um Aleyna zu verdecken und sagt zu Rosuran-Amel-Marduk ganz ruhig, aber mit messerscharfen Worten:
„Wenn du zu weit gehst, wird Marduk , dein Herr, dich nicht mehr lange schützen können. Zu oft schon bist du zu weit gegangen. Er wird dir das nicht vergessen. Auch du bist nicht frei von seinem gewaltigen Zorn, Rosuran-Amel-Marduk !“
Er erkennt sie sofort; ein kurzes Blitzen seiner Augen, das Elieanor-Adda-Guppi mit einem bitteren, fast mitleidigen Lächeln erwidert. Ohne einen weiteren Atemzug verschwindet er mit seinen beiden Schatten.
„Danke Burgon , ich weiß deine Hilfe mehr als zu schätzen! Er hätte mich sofort mitnehmen lassen, wenn du nicht gewesen wärst, wenn ihr nicht gewesen wärt. Habt Dank, alle zusammen!“
Als Aleyna sich nach vorn beugt, um die Scherben ihres Kruges aufzusammeln, sieht man ihr kleines Mal in Form eines Sichelmondes an ihrem Hals hinten. Salana-Daniel ist überrascht, und es berührt ihn auf seltsame Weise.
„ Aleyna , wir haben fast das gleiche Mal an fast der gleichen Stelle. Ist das nicht ungewöhnlich?“
Salana-Daniel dreht sich um, hebt seine grauen langen Harre hoch und zeigt sein Mal. Alle, die das sehen, sind sprachlos und vergessen für einen Moment das Chaos, das sie umgibt.
„Lass die Scherben liegen, ich habe hier noch genug Scherben, die ich zusammenkehren muss. Ich bringe sie alle zusammen weg“, sagt Choi zu ihr.
„Danke, Choi , so werde ich losgehen und einen neuen Krug mit frischem Wasser holen, denn noch ist der Tag nicht zu Ende. Noch einmal danke euch allen!“ Lächelnd geht Aleyna , leichtfüßig, fast tänzelnd.
Elieanor-Adda-Guppi sagt leise zu Burgon : „Hab ein Auge auf sie, ich habe ein schlechtes Gefühl, die Scherben des Kruges verhießen nichts Gutes!“
„Ich helfe Choi , seinen Stand wieder aufzurichten und dann kümmere ich mich“, nickt er ihr zu. Beklommenheit schnürt seine Brust.
„Danke“, sagt sie, doch in diesem Moment weiß sie schon, dass es zu spät ist. Das Machtspiel ist noch nicht zu Ende.
Nicht sehr viel später kommt Aleynas Vater mit Burgon . Sie suchen sie verzweifelt und können sie nirgends finden. Nirgendwo. Aleyna ist spurlos verschwunden.
Ein Stück weiter finden sie an der Mauer einen zerbrochenen Wasserkrug, und über Äsagila steigt mahnend neuer Rauch in den
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