Das Vermaechtnis
verschleppt hatte.
Er war es, der mich zwang, mich zwischen Unmöglichem zu entscheiden, dein Erbe zu verraten, meine Göttin zu verraten, mich zu Boden zu werfen vor solch einem…“
Sie schüttelte sich und fasste sich gleich wieder.
„ Innana , wunderbare Tochter des Himmelsgottes An , Göttin des Morgensterns und des Abendsterns, Göttin der Liebe, Göttin des Krieges und des Todes, Göttin der Fruchtbarkeit, sie allein stand an meiner Seite und spendete mir Trost. Ihr allein will ich von nun an dienen, hier in meinem Tempel. Ich widmete ihr eine große Hymne, um die großen Ungerechtigkeiten uns beiden, dir und mir gegenüber, allen zu verkünden, den Menschen und den Göttern, und um unser Schicksal wieder zu wenden. Ich werde ihr weitere Hymnen widmen und mein Leben hineinweben, ihr zum Dank. Damit alle erfahren, was mit mir war und wer sie ist, welch große Güte sie besitzt. Sie ist die großzügige Herrin, die Herrin aller göttlichen Kräfte. Durch ihre Barmherzigkeit kehrte ich zurück. Innana , Herrin über die unzähligen Me [7] .
Durch meine Hymne habe ich sie erhoben in den höchsten Rang aller Götter, erhoben zur Herrscherin. Dies ist meine Macht, oh Vater, meine ganze Kraft. Und ich habe gesiegt. Mit Innanas Kraft und ihrem Glauben an mich konnte ich sie zurückerheben, höher noch als zuvor.
Ich schreibe die Hymnen in meinem Namen, dies ist die Abmachung und mein ganz persönlicher immerwährender Dank.“
Sie gibt ein paar Körner Weihrauch und Myrrhe in die Glut und wartet wieder, bis sich der Duft um sie verbreitet hat.
„Die große Göttin Innana ist es, die mir geholfen hatte in der schlimmsten Stunde meines Lebens. Wohl sollte ich dieses Leid erfahren, von dem ich dir gleich berichten werde, damit ich stark würde, um das spätere Leid, das mir von Ushlaran-Lugal-Ane angetan wurde, ertragen zu können.
Ich will es dir heute sagen, die jahrelange Last vor dir ausschütten, zu lange trug ich sie in mir. Heute ist der Tag, an dem ich dir mein lang gehütetes Geheimnis mitteile. Ich habe meine Strafe angenommen.
Ich habe eine Tochter, die ich nicht hätte haben dürfen, von einem Mann, den ich nicht hätte haben dürfen, und den ich seitdem nicht wieder sah. Nie hattest du mir davon berichtet, aber man erzählte sich, dass auch deiner Mutter ein ähnliches Schicksal widerfuhr wie mir. In ein Binsenkörbchen legte sie dich heimlich und setzte dieses kleine hilfslose Boot auf den großen Fluss. Dir war das Schicksal wohlgesinnt, die große Göttin Innana verliebte sich in dich und verhalf dir zu deiner glorreichen Macht.
Obgleich du ein Ziehsohn eines Gärtners warst, nahm man dich auf als Mundschenk des Königs von Kisch . Zu spät bemerkte dieser deine hohen Ziele. Er schaffte es nicht mehr, sich deiner zu entledigen, im Gegenteil, Innana unterstützte dich bis zum Thron. Auch wenn du grausam warst, wie bei der Machtübernahme von Uruk , dessen König du enthauptet hattest und prahlend zur Schau stelltest.
Oh, Vater, wie viel Leid hast du anderen angetan – wofür nur?
Dennoch – viele achteten dich, die meisten aus dem Volk, da du von nicht-königlichem Blut stammtest und dein Schicksal selbst in die Hand genommen hast, um deine großen Ideen zu verfolgen. Sie bewunderten deine Stärke, sie fühlten sich sicher durch dich als ihr König, denn die Götter unterstützten dich in deinem Tun.
Und ich stand immer loyal an deiner Seite, egal, was du tatest, denn du warst mein Vater, der Großkönig, von Innana geliebt, so liebte ich dich auch. Ich liebte deine Stärke, ich fühlte mich beschützt, deine muskulöse Gestalt, deine schwarzen lockigen Haare, deinen rhythmischen, federnden Gang, deine dunkle Haut eines Kämpfers, alles an dir zeigte Größe. Auch wenn ich manche Grausamkeit nicht mochte, wohl weil ich es nicht verstand, so liebte ich dich doch.
Allein das Blut, dein Blut, fließt in meinen Adern. Und somit deine Stärke. Egal, wie viele Menschen du in den Tod getrieben hast auf deinen endlosen Kämpfen um mehr Land, um mehr Macht, ich stand stets zu dir. Dein Durst nach Größe war kaum zu stillen, doch übertroffen, großer Vater, großer König, wirst du jetzt von deinem Enkel, so grausam warst selbst du nicht – er kennt keine Grenzen mehr. Oh, Vater! Wo führt das hin? Niemand kennt mehr irgendwelche Grenzen!
Ja, meine Tochter! Du wirst wissen wollen, was aus meiner Tochter wurde, die dein Schicksal als Baby teilte – ich weiß es nicht. Ich denke jeden Tag
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