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Das Vermaechtnis

Das Vermaechtnis

Titel: Das Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Scherer-Kern
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dir schon viel von ihr erzählt und ihr habe ich schon viel von dir erzählt. Sie freut sich schon auf dich, vielleicht seht ihr euch heute Abend schon oder morgen.
    In einer Stadt, 30 Tagesreisen per Schiff entfernt, habe ich einen Künstler kennen gelernt und ihm einen Auftrag gegeben. Es ist etwas aus einem Stein, den das Wasser leicht tragen kann und der fast warm ist, obwohl er aus einem kalten Nordland kommt. Ich werde euch beiden immer mal etwas Schönes mitbringen, etwas, was zu eurem Leben im Tempel passt. Vielleicht finde ich auch etwas für dich, edelste und erhabenste Encheduanna-Kyr …“
    Sein verschmitztes Lächeln ist wieder zurück. Die Lage entspannt sich langsam. „Versprochen, kommst du danach gleich wieder zu uns?“, fragt Aleyh-Ana und schaut dabei mit flehenden Augen zu Encheduanna-Kyr , die wie in Trance kurz nickt.
    „Versprochen“, sagt Bur-Gon , verbeugt sich vor ihr, dann vor den anderen beiden und eilt davon.
     
    „ Aleyh-Ana , auch du wirst mir in Zukunft sagen, mit wem du Kontakt hast. Im nächsten Jahr ist dir als zukünftige Naditum-Priesterin dieses Tempels kein Kontakt mehr erlaubt bis zur rituellen Hochzeit. Es ist der für dich bestimmte Weg. Ein Hintergehen dieses Gesetzes kann sehr streng bestraft werden, es kann dir sogar dein wertvolles Leben kosten. Ist dir das bewusst, meine liebe Aleyh-Ana ?“, sagt sie streng zu ihr. Aleyh-Ana schaut ihr in die Augen und bemerkt den liebevollen und doch sorgenvollen Blick. Und sie bemerkt die leicht mit Tränen gefüllten Augen. Sie schaut zu Sa-La-Na und sieht in die gleichen besorgten Augen. Sie ist ganz durcheinander von diesem Zwischenfall, von diesen liebevollen Augen, die sie so ansehen und fängt an zu weinen, stürzt sich in Encheduanna-Kyrs Arme und ergreift dabei mit der linken Hand die Hand von Sa-La-Na .
    Es ist ein Moment, den alle drei in sich einschließen, ganz tief, wohin niemand schauen kann, nicht einmal ein Gott.
    Encheduanna-Kyr behält ihre Fassung, wenn auch nur mit schwersten Anstrengungen, und beruhigt das aufgewühlte Mädchen.
    „Kleine hübsche Aleyh-Ana , der Tempel könnte sich reich schätzen, würden wir deine Tränen in Diamanten zählen. Möchtest du Priesterin werden, so wie ich, oder möchtest du das Leben einer Prinzessin führen mit dem dir angedachten Platz mit allen seinen Pflichten, aber auch allem Leben in Wohlstand und Schönheit?
    Du hast nun noch ein knappes Jahr, um dich zu entscheiden. Egal, wofür du dich entscheidest, ich stehe hinter dir und helfe dir, wohin du auch gehst. Nun weine nicht mehr. Solch eine hübsche Katze hast du geschenkt gekommen! Ihr wird es hier im Palast gefallen. Freue dich darüber, dass es so viele Menschen gibt, die dir wohlgesinnt sind und noch weit mehr… Das wird dich stark machen für diese Welt. Und die Göttin liebt dich, so wie sie mich liebt, und sie wird immer zu deinem Schutze da sein. Vertrau mir.“
    Sie streichelt ihr liebevoll die langen rotblonden Haare, in denen an manchen Stellen kleine Tonklümpchen hängen.
    „Binde deine Haare zusammen, wenn du zur Schreibschule gehst, sonst hast du bald ganze Tafeln darin hängen.“ Aleyh-Ana schluchzt und lacht.
    „Komm zeig Sa-La-Na und mir, was du heute geschrieben hast. Sa-La-Na ist ein großer Geschichtenerzähler. Er weiß Worte sehr zu schätzen!“
    Als würde sie Sa-La-Na schon lange kennen, reicht sie ihm zwei kleine Tontafeln, die schon gut ausgehärtet sind. Es fällt auf, wie gerade und sauber sie die schematischen Schriftzeichen mit der Spitze des Schilfrohr-Griffels in den Ton gedrückt hat. Sie schreibt sogar schon im zweispaltigen System. 
    „Wenn ich weiter so fleißig schreibe, darf ich bald die Tontafeln von beiden Seiten beschreiben. Jetzt kann ich ungefähr 200 Schriftzeichen, aber ein guter Schreiber beherrscht 500. Da muss ich noch eine Menge lernen.“
    „Oh, das kenne ich doch“, lächelte Sa-La-Na , der sich innerlich wieder etwas gefangen hat. „Da hatte ich wohl noch eine heimliche Zuhörerin heute.“
    Er blickt zu Encheduanna-Kyr . Sein Stolz ist kaum zu verbergen. „Du schreibst hier von Gilgamesch und Enkidu , als sie zusammen zum Zedernwald gingen, um gemeinsam Humbaba , das Waldungeheuer, das den Zedernwald bewacht, zu bezwingen. Wunderbar! Und deine Formulierungen, wunderbar! Ich könnte noch etwas von dir lernen, Aleyh-Ana !“
    „Oh nein“, sagt Aleyh-Ana verschämt, „so gut wie du werde ich niemals erzählen können! Wenn du erzählst, kann ich alles

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