Das Vermaechtnis
Existenz auslöschen würde, aber letztendlich glaubte ich das nicht. Ich war hier, jetzt und – wenn ich an das Gemälde dachte – auch noch an meinem Hochzeitstag!
Ich musste beinahe lachen. Vielleicht beschrieb ich das Blatt neu – und das Morgen gab es nicht … aber waren nicht mit Muireall Camerons Flucht nach Amerika die Weichen für alles Weitere gestellt worden? Ich hoffte, dass, was immer auch in dieser Zeit geschehen würde, ich selbst davon nicht mehr betroffen war.
Es kam mir vor, als hätte ich eine Chance. Ich hatte eine Waffe, und der Eintrag im Kirchenregister und sogar das Gemälde trugen mich wie auf sicheren Schwingen und ließen mich an ein gutes Ende glauben. Es musste einfach so sein!
Mit einem wehmütigen Gedanken an Payton erhob ich mich. Der fragte sich vermutlich gerade, wo ich stecken mochte, hatte ich ihn doch gebeten, mich beim Friedhof zu treffen. Sicher machte er sich Sorgen, oder vielleicht war er auch wütend, weil er nicht wusste, was geschehen war. Aber er würde mir hoffentlich vergeben, sobald ich in seinen, wohl wiederum neu geschriebenen, Erinnerungen auftauchen würde.
„ Tha gràdh agam ort ”, murmelte ich und hoffte, der Wind möge meinen Liebesschwur durch Zeit und Raum zu ihm tragen.
Mit dem Dolch in der Hand kam ich mir vor, wie Xena – nur weniger sexy, was wohl für meine Sicherheit ein deutlicher Vorteil war.
„Na dann los, Xena – besorgen wir uns zeitgemäße Kleidung und bringen mal auf die Schnelle den Lauf der Geschichte in Ordnung“, beschwor ich mich.
Obwohl ich nicht glaubte, dass an diesem abgelegenen Ort Gefahr lauerte, hatte ich dennoch keine Lust, in Schwierigkeiten zu kommen, nur weil ich Bluejeans trug. Ich hoffte, in der Kate, in der ich mich bei meinem letzten Ausflug in die Vergangenheit versteckt hatte, noch einmal ein Kleidungsstück zu finden.
Als ich diesmal in den Anbau der Kate trat, schlug mir ein bekannter staubiger Geruch entgegen. Wieder flitzten die Mäuse und suchten in den dunklen Ecken Schutz, aber die Truhe, in der ich damals das Hauskleid gefunden hatte, war aufgestemmt und durchwühlt. Mein Herz schlug schneller.
Aufgeregt trat ich näher, schob das gesplitterte Holz beiseite. Ich bekam eine Gänsehaut. Unter einer dicken Staubschicht und einem groben Wollstoff erblickte ich etwas, das meinen Puls beschleunigte. Ich ging in die Hocke und zog daran.
Es war meine Jeans. Ich hatte sie 1740 hektisch ausgezogen, als Ross und seine Brüder sich meinem Versteck genähert hatten. Es trieb mir die Tränen in die Augen, sie jetzt wiederzufinden. Scheiße, so unglaublich sich meine Geschichte selbst für mich anfühlte, so hielt ich doch gerade den Beweis in Händen, wirklich Teil dieser Welt gewesen zu sein. Ob ich nun Schuld an allem trug oder nicht, ob ich die Macht hatte, die Geschehnisse zu verändern, oder ob alles vorherbestimmt war – ich hinterließ zumindest Spuren.
Ich faltete ehrfürchtig die Jeans zusammen und legte sie neben die Kiste mit den Stoffen. Diesmal hatte ich die Zeit, den gesamten Inhalt durchzusehen und entdeckte dabei tatsächlich ein weiteres Hauskleid. Es war im Farbton etwas dunkler als das letzte, beinahe erdfarben, und ein Taillenband sowie eine schlichte Spitze am Saum machten das Kleid trotz des einfachen Wollstoffs fast schon hübsch. Nicht ganz das, was man aktuell als „Vintage-Look“ für den Sommer trug, aber für diese Zeit ein wirklich gutes Stück.
Als ich zufrieden mit meiner Aufmachung war, funktionierte ich ein großes Tuch zu einem praktischen Arisaid um, indem ich es vor meiner Brust verknotete und in der Taille mit einem Lederband zusammenhielt. Die einfachste Art der Welt für einen Mantel, vergleichbar nur mit einem überdimensionalen Schultertuch. So wurde mein Brustansatz vor neugierigen Blicken besser geschützt, und meinen Dolch konnte ich sicher an dem Band befestigen. Diesmal wollte ich ihn jederzeit griffbereit bei mir haben.
Alles in allem fühlte ich mich recht gut gerüstet, auch wenn ich nichts dagegen gehabt hätte, noch etwas Essbares zu finden.
Ich erinnerte mich noch gut an den Weg, den Payton und ich genommen hatten, als er mich zurück zu dem Gedenkstein und damit zurück in meine Zeit gebracht hatte. Wir waren zwei Tage in schnellem Tempo geritten, um Vanoras Blut rechtzeitig ins 21. Jahrhundert zu bringen.
Schon auf dem Pferderücken war der Weg lang und beschwerlich gewesen, aber ich konnte mir wohl leichter Flügel wachsen lassen, als diese Strecke
Weitere Kostenlose Bücher