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Das Vermaechtnis

Das Vermaechtnis

Titel: Das Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Bold
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wenigen Gefolgsleute der Camerons, die hier ihr Leben bestritten, waren nicht erpicht darauf, zwischen die Fronten dieser Fehde zu gelangen.
    Ich musste mich entscheiden – es half ja alles nichts.
    „Na schön. Ich komme mit dir bis Craig Liath Wood.“
    Der alte James nickte und wandte sich an William, so als hätte er nicht vor, seine Geschäfte mit einer Frau zu besprechen.
    „Aber ich sag dir eines, Will: Ich füttere sie nicht durch, aye?“
    „Keine Sorge, James. Wir werden für euch beide Proviant einpacken. Ihr müsst auf nichts verzichten. So gut genährt bist du noch nie in den Süden gefahren, darauf mein Wort.“
    Per Handschlag besiegelten sie ihre Abmachung, und William lächelte mich zufrieden an. Es war wohl ziemlich dumm von mir gewesen, zu hoffen, er könne mir ein Pferd schenken. Im ganzen Ort gab es nur ein einziges – den alten Klepper, der schon mit mehr Beinen im Grab stand als in seinem Unterstand.
    Mit dem Ochsenkarren bis an die Grenze der Cameron-Ländereien zu kommen, war also echter Luxus, den Will teuer bezahlte. Einen Teil des Inhalts seiner Speisekammer hatte der mürrische Fuhrmann verlangt, und nun sollte er auch noch unsere Verpflegung übernehmen. Ich kam mir schäbig vor, aber da weit und breit kein Supermarkt zu sehen war, schwieg ich und hoffte, Wills Familie käme dennoch gut über den Winter.
    „Wann brechen wir auf?“, fragte ich James, der mich ansah, als hätte ich zwei Köpfe. Von Emanzipation hatten diese Kerle echt noch nie was gehört!
    „Morgen. Bei Sonnenaufgang geht es los. Und, Mädel – ich warte nicht auf dich, aye?“
    Er gab den harten Kerl, aber irgendwie nahm ich ihm das nicht ab, und musste bei seinem Versuch, mich mürrisch zurechtzuweisen, grinsen.
    „Aye, Sir“, antwortete ich ganz brav und konnte den nächsten Morgen kaum noch erwarten.
     

    Der stetige Regen in den darauffolgenden zwei Tagen dämpfte meine Freude darüber, endlich unterwegs nach Burragh zu sein. Kein Zentimeter meiner Haut war noch trocken, und die Rüben schwammen regelrecht auf dem Ochsenkarren. Nur zeitweise ließen es die matschigen Straßen zu, dass James und ich auf dem Bock saßen. Meistens jedoch mussten wir neben dem Fuhrwerk herlaufen und die Räder aus dem Schlamm schieben. Ich verfluchte mich selbst, nicht doch das alte Pferd gewählt zu haben, als ich mir den Dreck von der Wange wischte, den einer der Ochsen mit seinem Huf aufgespritzt hatte.
    „Komm, Mädel, das nächste Stück des Weges sieht wieder besser aus“, rief James, der für sein Alter sehr kräftig war. Er reichte mir die Hand, um mich zu sich auf den Bock zu ziehen.
    Ich strich mir die Haare aus dem Gesicht, kletterte mit seiner Hilfe zu ihm hinauf und ließ mich erschöpft neben ihn fallen. Sein Atem roch nach Whisky, als er mir die kleine Blechflasche anbot, deren Inhalt mich von innen wärmen würde.
    „Hab dich falsch eingeschätzt, Mädel“, gestand er mit einem anerkennenden Nicken. „Du taugst was.“
    Er legte mir eine Decke um die Schultern, die zwar nicht nass, aber doch recht klamm war, und zog eine Lederplane über unsere Köpfe, damit wir nicht noch mehr durchweichten. Mir wuchsen zwar in dem Paar Stiefel, welche ich von William bekommen hatte, bereits Schwimmhäute, trotzdem war ich froh darum, dem kalten Wind etwas weniger ausgeliefert zu sein. Einige Schlucke aus James‘ Flasche entzündeten ein feines, wenn auch kleines Feuer in meinem Magen, und ich schloss für einen Moment müde und kraftlos die Augen.
    Die Strecke kam mir unendlich lang vor. Wir passierten einige kleinere Ansiedlungen, waren ansonsten aber allein unterwegs. Die Ochsen gingen langsam, und das Vorankommen erwies sich bei diesem Wetter als zähes Unterfangen. Zwischendurch glaubte ich, zu Fuß schneller zu sein, aber dann war ich doch wieder erleichtert, die teils steilen Bergkämme nicht selbst überwinden zu müssen. James hatte nach den ersten Stunden unserer erzwungenen Nähe sein mürrisches Getue abgelegt, und, auch wenn er meistens in seinen grauen Bart schwieg, war er eine angenehme Gesellschaft.
    Ich schätzte ihn auf Ende sechzig, weil sein Bart aber sein halbes Gesicht verdeckte, war ich mir da nicht so sicher. Vielleicht ließen ihn die weißen Haare auch nur so alt wirken.
    Nach weiteren gefühlten siebentausend Stunden, in denen mir das Wasser in den Kragen lief und selbst meine Gänsehaut Gänsehaut hatte, war, abgesehen von grauen Bergen, die in noch graueren Wolken hingen, noch immer nichts

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