Das Vermaechtnis
scheiterhaufengroßes, blau leuchtendes Feuer erhellte die Nacht.
„ Uisge !“, rief sie die Kraft des Wassers, und die Wellen hoben sich meterhoch an, küssten beinahe den unteren Rand der hölzernen Konstrukte.
Paytons Gedanken entglitten.
Es wurde nun langsam dunkel, und der Himmel hatte seine Farbe verändert. Das Leuchten des Sonnenuntergangs wandelte sich in ein warmes Lila. Nun zeichnete sich das Viadukt hell gegen den saphirblauen Horizont ab. Am Ufer zur Rechten wuchsen Rhododendren, deren Blüten nun nicht mehr rosa leuchteten, sondern im Abendlicht einen geheimnisvollen Purpurton annahmen.
Sam saß schweigend neben ihm, und sie genossen diesen einmaligen Moment. Grillen zirpten, und das kalte Wasser spülte silbern glänzend um ihre kleine Insel.
Nach einigen Minuten rutschte Payton etwas näher an sie heran. Ihre Nähe brachte ihn um, aber zugleich genoss er diesen unerträglichen Schmerz. Er spürte, dass sie ihm gerne näher gekommen wäre, aber das würde sein Untergang sein. Wollte er mit ihr untergehen?
Er forderte sein Schicksal heraus, musste wissen, warum sie ihn derart bewegte, wo dies doch unmöglich war.
„Machst du das oft?“, kam ihre Frage schüchtern und unsicher.
„Was denn?“
„Das hier.“
„Spazieren gehen?“, zog er sie auf, weil sie in ihrer Verlegenheit so unvergleichlich süß war.
„Du weißt, was ich meine! Mit Mädchen rumhängen, die du eben erst kennengelernt hast?“
Obwohl es schon beinahe dunkel war, bemerkte Payton die leichte Röte auf ihren Wangen.
„Nein, das mache ich sonst nie! Und du? Gehst du oft mit fremden Jungs mit?“
Verlegen schüttelte Sam den Kopf.
„Nein, eigentlich bin ich schüchtern und vernünftig.“
Er blieb stehen, denn er musste ihr in die Augen sehen.
„Hältst du es für vernünftig, bei mir zu sein?“
Seine Worte waren leise, beinahe geflüstert, und zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte er Angst. Angst vor ihrer Antwort.
„Nein. Das ist sogar das Unvernünftigste, was ich je getan habe“, gestand sie und brachte damit seine Welt zum Einsturz. Payton taumelte und schüttelte den Kopf, um die Bilder zu vertreiben. Was war das? Mittlerweile loderten alle drei Feuer des Wasserelements, das Gestern , das Heute und das Morgen . Er konnte kaum Atem holen, da hob das nächste Mädchen ihre Fackel in die Höhe und rief ihr Element:
„ Teine !“
Glutrot flammte ihr Leuchtfeuer auf und machte dem Element Feuer mit seiner Hitze alle Ehre.
Wieder drängten sich Bilder vor sein inneres Auge, und er stöhnte unter der Wucht der Gefühle, die diese wachriefen.
„Kannst du dir vorstellen, wie es ist, tot zu sein? So ist das für mich, nur dass ich dabei lebe! Ich schmecke nichts. Das leckerste Essen ist für mich genau wie eine Handvoll Erde. Kein Alkohol der Welt versetzt mich in einen Rausch, kein noch so schönes Lied erreicht mein Innerstes. Ich wäre lieber tot, als so zu leben, das kannst du mir glauben. Stell dir den schönsten Sonnenuntergang vor, den du jemals gesehen hast: die wunderschönen Farben, das warme Glühen auf deiner Haut. Das Gefühl, das sich in so einem Moment in dir ausbreitet: Glück, Zufriedenheit oder Bewunderung. So war auch mein Leben, doch jetzt ist alles grau. Ich sehe zwar die Farben, aber ich fühle nichts dabei“, versuchte er verzweifelt, Sam den Fluch zu erklären.
„Du hast gesagt, du fühlst nichts. Aber das kann doch nicht sein. Ich sehe doch, wie du mit deinen Gefühlen kämpfst: Zum Beispiel jetzt, du leidest, du quälst dich, und du bist erleichtert, dich mir anvertraut zu haben. Das sind Gefühle!“
Er kniete sich Sam gegenüber, griff nach ihren Händen und beteuerte ihr:
„Ja, aber genau das ist es doch! Du machst alles anders! Ich kann dir gar nicht sagen, wie du mein Leben auf den Kopf stellst. Seit ich dich das erste Mal gesehen habe, kann ich nicht mehr ohne dich sein! Seit ich dich kenne, fühle ich etwas!“
„Warum ich? Wie kommt das?“
„Ich weiß auch nicht …“
„Und was fühlst du?“
„Schmerzen!“, lachte er.
„Schmerzen? Warum? Das ist ja schrecklich!“
„Nein, also ich meine, ja, das ist wirklich schrecklich, aber ich bin so froh, überhaupt etwas zu fühlen, dass du auf mich wie eine Droge wirkst. Ich brauche immer mehr von dir.“
„Hm, ich weiß nicht. Ich komme gerade nicht so ganz mit. Ist das alles jetzt gut oder schlecht?“ Sie wirkte so verwirrt, und er versuchte, es deutlicher zu sagen.
„Nun, wenn ich ganz nahe bei dir
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