Das Vermaechtnis der Drachenreiter
Dreizehn Diener oder der Abtrünnigen, wie man sie landläufig nennt. Vielleicht gibt es ja noch andere, denn die Dreizehn waren Meister darin, Geheimnisse für sich zu behalten, aber ich bezweifle es, aus Gründen, die ich dir später erkläre.
Meine Eltern lernten sich in einem kleinen Dorf kennen - ich habe nie erfahren, in welchem -, als mein Vater für den König unterwegs war. Morzan war wohl sehr nett zu meiner Mutter, zweifellos ein Trick, um ihr Vertrauen zu gewinnen, und als er weiterzog, begleitete sie ihn. Sie reisten eine Weile zusammen, und wie es mit diesen Dingen eben so ist, verliebte sie sich in ihn. Morzan freute sich, als er das merkte, nicht nur weil es ihm viele Gelegenheiten bot, sie zu quälen, sondern weil er erkannte, wie vorteilhaft es war, eine Dienerin zu haben, die ihn nicht betrügen würde.
Als Morzan an Galbatorix’ Hof zurückkehrte, wurde sie zu seinem willigen Werkzeug. Er ließ sie seine geheimen Botschaften überbringen und brachte ihr die Grundlagen der Magie bei, was ihr half, unentdeckt zu bleiben und - gelegentlich - Informationen aus Leuten herauszuholen. Er tat alles, um sie vor den anderen Abtrünnigen zu schützen, nicht weil er Gefühle für sie hegte, sondern weil die anderen - hätte sich ihnen die Gelegenheit geboten - sie gegen ihn verwendet hätten. Drei Jahre lang ging das so, bis meine Mutter schwanger wurde.«
Murtagh machte eine Pause und wickelte sich eine Haarlocke um den Finger. Dann fuhr er in abgehacktem Ton fort: »Wenn schon nichts anderes, so war mein Vater jedenfalls ein gerissener Kerl. Er wusste, dass die Schwangerschaft ihn und meine Mutter in große Gefahr brachte, ganz zu schweigen von dem Kind - also von mir. Daher verschwand er mit ihr eines Nachts aus dem Palast und brachte sie auf seine Burg. Sobald sie dort waren, legte er einen mächtigen Zauber über das Anwesen, sodass es außer einigen aus-gesuchten Dienern niemand betreten konnte. Auf diese Art wurde die Schwangerschaft vor allen geheim gehalten, außer vor Galbatorix.
Galbatorix wusste alles über das Leben der Dreizehn. Er kannte ihre privaten Angelegenheiten, ihre Intrigen und - am wichtigsten - ihre Gedanken. Er sah gern mit an, wie sie einander bekämpften, und zu seiner eigenen Belustigung half er manchmal dem einen oder dem anderen. Aber aus irgendeinem Grund hat er meine Existenz nie bekannt gemacht.
Nach meiner Geburt wurde ich in die Obhut einer Amme gegeben, damit meine Mutter zu Morzan zurückkehren konnte. Ihr blieb nichts anderes übrig. Morzan erlaubte ihr, mich alle paar Monate zu besuchen, aber davon abgesehen hielt man uns voneinander getrennt. Auf diese Weise vergingen drei weitere Jahre und in dieser Zeit fügte er mir die Verletzung zu ... die Narbe auf meinem Rücken.« Murtagh brütete eine Weile vor sich hin, bevor er fortfuhr.
»Ich wäre auf diese Art und Weise zum Mann herangewachsen, hätte man Morzan nicht fortgeschickt, um Saphiras Ei zu jagen. Sobald er weg war, verschwand meine Mutter. Keiner wusste, wohin sie gegangen war oder warum. Der König versuchte, sie zu fangen, doch seine Männer fanden keine Spur von ihr - zweifellos war Morzan ihr ein guter Lehrer gewesen.
Als ich geboren wurde, waren nur noch fünf der Dreizehn am Leben. Als Morzan fortging, hatte diese Zahl sich auf drei reduziert, und als er in Gil’ead Brom gegenübertrat, war er der Letzte. Die Abtrünnigen kamen auf verschiedene Weise zu Tode: durch Selbstmord, Hinterhalte, übermäßigen Gebrauch von Magie… Aber meist war es das Werk der Varden. Ich habe gehört, dass der König wegen der Verluste außer sich war vor Zorn.
Bevor uns jedoch die Kunde von Morzans Tod erreichte, kehrte meine Mutter zurück. Seit ihrem Verschwinden waren viele Monate vergangen. Sie war bei schlechter Gesundheit und wurde immer kränker. Zwei Wochen darauf starb sie.«
»Was geschah dann?«, fragte Eragon.
Murtagh zuckte mit den Schultern. »Ich wuchs auf. Der König holte mich in den Palast und sorgte für meine Erziehung. Davon abgesehen ließ er mich in Ruhe.«
»Warum bist du nicht ausgerissen?«
Ein hartes Lachen brach aus Murtagh hervor. »Geflohen wäre das passendere Wort. An meinem letzten Geburtstag, als ich achtzehn wurde, lud der König mich in seine Gemächer ein, zu einem privaten Abendmahl. Die Botschaft überraschte mich, weil ich mich stets vom Hof distanziert hatte und Galbatorix nur selten begegnet war. Wir hatten uns zwar einige Male unterhalten, aber stets in Hörweite
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