Das Vermaechtnis der Drachenreiter
wollte, was schon über sie erzählt worden ist, müsste man meinen, sie besäßen gottähnliche Kräfte. Gelehrte haben ihr ganzes Leben mit dem Versuch verbracht, die Märchen von den Tatsachen zu trennen, aber ich bezweifle, dass es je einer von ihnen schaffen wird. Es ist jedoch keine unmögliche Aufgabe, wenn wir uns auf die drei von dir genannten Bereiche beschränken: Wie es mit den Reitern anfing, warum sie so hoch geachtet waren und woher die Drachen kamen. Ich werde mit dem letzten Punkt beginnen.« Eragon lehnte sich zurück und lauschte der hypnotischen Stimme des alten Mannes.
»Die Drachen haben keinen Anfang, es sei denn, er fällt mit der Schöpfung Alagaësias zusammen. Und wenn sie ein Ende haben, so wird das sein, wenn diese Welt untergeht, denn sie sind eins mit dem Land. Sie, die Zwerge und noch ein paar andere sind die wirklichen Besitzer dieses Landes. Sie lebten hier vor allen anderen, stark und stolz in ihrem elementaren Ruhm. Ihre Welt wandelte sich erst, als die ersten Elfen mit ihren silbernen Schiffen über das große Meer segelten.«
»Woher kamen die Elfen?«, unterbrach ihn Eragon. »Und warum nennt man sie das Schöne Volk? Gibt es sie wirklich?«
Brom schaute mürrisch auf. »Möchtest du nun Antworten auf deine ursprünglichen Fragen oder nicht? Du wirst keine erhalten, wenn du bei jedem Punkt abschweifst, der dein Interesse weckt.«
»Tut mir Leid«, sagte Eragon. Er schlug die Augen nieder und versuchte, reumütig auszusehen.
»Tut es gar nicht«, sagte Brom leicht amüsiert. Er blickte ins Feuer und beobachtete, wie die Flammen am Boden des Kessels leckten. »Aber wenn du es unbedingt wissen willst: Elfen gibt es wirklich, und man nennt sie das Schöne Volk, weil sie anmutiger sind als alle anderen Völker. Sie behaupten, sie kommen aus Alalea, wenngleich niemand außer ihnen selbst weiß, was oder wo das ist.
Also«, er warf Eragon unter seinen buschigen Augenbrauen hervor einen strengen Blick zu, um sicherzugehen, dass es keine weiteren Unterbrechungen geben würde, »die Elfen waren ein stolzes Volk und der Magie kundig. Anfangs betrachteten sie die Drachen als bloße Tiere. Diese Annahme erwies sich als tödlicher Irrtum. Ein übermütiger Elfenknabe jagte einmal einen Drachen, als wäre es ein Hirsch, und erlegte ihn schließlich. Empört lauerten die Drachen dem Elf auf und töteten ihn. Unglücklicherweise hatte das Blutvergießen damit noch kein Ende. Die Drachen schlossen sich zusammen und griffen das gesamte Elfenvolk an. Bestürzt über das fatale Missverständnis, versuchten die Elfen, die Feindseligkeiten zu beenden, fanden aber keine Möglichkeit, sich mit den Drachen zu verständigen.
Im Anschluss kam es, um eine komplizierte Reihe von Ereignissen zusammenzufassen, zu einem sehr langen und sehr blutigen Krieg, den beide Seiten später zutiefst bedauerten. Am Anfang kämpften die Elfen nur, um sich zur Wehr zu setzen, denn sie wollten die Kämpfe nicht eskalieren lassen, aber das Ungestüm der Drachen zwang sie, um ihres Überlebens willen selbst anzugreifen. So ging es fünf bittere Jahre lang und hätte noch lange kein Ende gefunden, wenn nicht eines Tages ein Elf namens Eragon ein Drachenei entdeckt hätte.« Eragon blinzelte überrascht. »Ah, ich verstehe«, sagte Brom. »Du wusstest also noch gar nichts von deinem Namensvetter.«
»Nein.« Der Teekessel pfiff schrill. Warum hat man mich nach einem Elf benannt?, fragte er sich.
»Dann sollte dies alles umso interessanter für dich sein«, sagte Brom. Er nahm den Kessel vom Feuer und goss das kochende Wasser in zwei Tassen. Eine davon reichte er Eragon mit dem Hinweis: »Diese Blätter müssen nicht lange ziehen, trink also zügig, bevor der Tee zu stark wird.« Eragon versuchte, einen Schluck zu nehmen, verbrühte sich aber die Zunge. Brom stellte seine eigene Tasse beiseite und rauchte weiter seine Pfeife.
»Niemand weiß, warum das Ei zurückgelassen worden war. Einige sagen, die Eltern wären bei einem Elfen-Angriff getötet worden. Andere glauben, die Drachen hätten es absichtlich dort liegen lassen. So oder so, Eragon erkannte jedenfalls, wie hilfreich es sein konnte, einen freundlich gesonnenen Drachen aufzuziehen. Er kümmerte sich heimlich um ihn und nannte ihn, dem Brauch der alten Sprache folgend, Bid’Daum. Als Bid’Daum zu stattlicher Größe herangewachsen war, reisten die beiden gemeinsam zu den Drachen und überzeugten sie davon, mit den Elfen Frieden zu schließen. Zwischen den
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