Das Vermaechtnis der Drachenreiter
anscheinend keine Geheimnisse preis, sagte er sich belustigt.
Eragon blieb eine ganze Weile bei seinem Findelkind. Erst nahm er ihm das Halfter ab, dann setzte er ihn sich auf die Schulter und marschierte los, um mit ihm den Wald zu erkunden. In der Abgeschiedenheit der schneebeladenen Bäume, die ihnen Obhut gewährten wie die mächtigen Säulen einer prachtvollen Kathedrale, erzählte Eragon dem Drachen alles, was er über den Wald wusste, ohne sich darum zu kümmern, ob dieser ihn verstand oder nicht. Für ihn zählte nur der simple Akt, die Dinge mit ihm zu teilen. Er redete ununterbrochen. Der Drache schaute ihn mit großen Augen an und saugte seine Worte auf. Eine Zeit lang saß Eragon einfach da, hielt ihn in seinen Armen und schaute ihn verwundert an, noch immer verblüfft über die jüngsten Ereignisse. Als er sich bei Sonnenuntergang wieder auf den Heimweg machte, spürte er im Rücken den entrüsteten Blick aus den kleinen blauen Augen des Drachen, der keine Lust hatte, allein zurückzubleiben.
In der Nacht malte er sich all die Dinge aus, die einem kleinen, hilflosen Tier zustoßen konnten. Bilder von Schneestürmen und hungrigen Raubtieren quälten ihn. Es dauerte mehrere Stunden, bis er einschlief. Im Traum sah er Füchse und schwarze Wölfe, die mit blutigen Fängen seinen Drachen zerfleischten.
Beim ersten Schimmer des Sonnenaufgangs verließ Eragon erneut das Haus mit frischem Futter und ein paar Decken als zusätzliches Wärmepolster für die Hütte. Er fand den Drachen wohlbehalten hoch oben auf dem Baum vor, wo er den Sonnenaufgang beobachtete. Inbrünstig bedankte Eragon sich bei allen ihm bekannten - und unbekannten - Göttern. Der Drache kam herabgehüpft, sprang ihm in die Arme und schmiegte sich an seine Brust. Die Kälte hatte ihm nichts anhaben können, aber er schien verängstigt. Eine dunkles Rauchwölkchen stieg aus seinen Nasenlöchern. Eragon streichelte ihn tröstend und setzte sich leise murmelnd mit dem Rücken an den Baumstamm. Er rührte sich nicht, als der Drache den Kopf in Eragons Mantel vergrub. Nach einer Weile löste er sich wieder aus der Umarmung und kletterte ihm auf die Schulter. Eragon fütterte ihn und wickelte anschließend die mit-gebrachten Decken um die Hütte. Sie spielten eine Zeit lang miteinander, aber schließlich musste Eragon wieder nach Hause.
Von nun an rannte Eragon jeden Morgen zu dem Baum, brachte dem Drachen das Frühstück und eilte anschließend wieder heim. Tagsüber stürzte er sich mit Feuereifer in die Arbeit, um möglichst schnell zu seinem Schützling zurückkehren zu können. Sowohl Garrow als auch Roran fiel sein Verhalten auf, und sie wollten wissen, warum er so viel Zeit im Freien verbrachte. Eragon zuckte nur mit den Schultern und achtete fortan darauf, dass ihm niemand folgte.
Nach einigen Tagen hörte er auf, sich um den Drachen zu sorgen. Das Tier wuchs in atemberaubendem Tempo und bald schon konnten die meisten Gefahren ihm nichts mehr anhaben. In der ersten Woche verdoppelte er seine Größe. Vier Tage später reichte er dem Jungen schon bis zum Knie. Er passte jetzt nicht mehr in die Baum-hütte und so musste Eragon ein neues Versteck zu ebener Erde bauen. Er brauchte drei Tage für diese Aufgabe.
Als der Drache zwei Wochen alt war, sah Eragon sich gezwungen, ihn frei herumlaufen zu lassen, weil er inzwischen ungeheuer viel Nahrung benötigte. Als er ihn zum ersten Mal losband, hielt Eragon ihn mit bloßer Willenskraft davon ab, ihm nach Hause zu folgen. Jedes Mal wenn der Drache es versuchte, schob er ihn mit seinen Gedanken von sich, bis das Tier lernte, das Haus und seine anderen Bewohner zu meiden.
Außerdem schärfte Eragon ihm ein, nur im Buckel auf die Jagd zu gehen, da ihn dort niemand entdecken konnte. Den Bauern würde es auffallen, wenn im Palancar-Tal plötzlich das Wild immer weniger wurde. Es beruhigte und ängstigte ihn zugleich, wenn der Drache sich so weit von ihm entfernte.
Die geistige Verbindung, die zwischen ihm und dem Tier bestand, wurde mit jedem Tag stärker. Er fand heraus, dass sie sich zwar nicht mit Worten, aber mit Bildern und Empfindungen verständigen konnten. Das war jedoch eine unsichere Methode und führte häufig zu Missverständnissen. Die Distanz, über die sie die Gedanken des anderen ertasten konnten, nahm schnell zu. Schon bald konnte Eragon den Drachen im Umkreis von zehn Meilen überall erreichen. Er tat es oft und im Gegenzug stupste dieser sanft seinen Geist an. Diese lautlosen
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