Das Vermächtnis der Feen (German Edition)
Conall Nárbflaith verfiel. Das Bild steht mir genau vor Augen. Geh nicht, Arthur. Geh nicht!«
Doch Arthur schien Wolfs Warnung nicht wahrzunehmen. Obwohl Josie versuchte, ihn zurückzuhalten, übertrat er mit einem weiteren schlafwandlerischen Schritt den Feenring, der sich wie ein Silberkreis im nachtfeuchten Gras abbildete. Lächelnd erfasste eine Sidhoir seine Rechte, während Josie seine Linke umso fester umklammerte. Mit einer unerwartet kraftvollen Bewegung schüttelte Arthur Josie ab.
Schockiert musste sie zusehen, wie die schöne Sidhe den Jungen in die Mitte führte, wo ihn die bezaubernden Erscheinungen sogleich umtanzten wie Haremsdamen aus einem Märchen aus Tausendundeiner Nacht.
Josie kniff die Lippen zusammen. Was sollte das? Zum Tanzen waren sie ganz bestimmt nicht hierhergekommen. Und verdammt nochmal, wo blieben Druid Dubh und Myrddin?
Wolf gab etwas wie ein Stöhnen von sich. »Die Vergegenwärtigung meiner Erinnerungen. Doch ist der Nachfahr so verführbar, wie Conall es einst war, sind wir allein auf uns gestellt.«
Diese Aussicht drehte Josie den Magen um. Während sie fieberhaft überlegte, was sie jetzt tun sollte, begannen die Sidhe zu singen:
Im Kreis bei den Linden, wir bannen und binden
Dein Herz ganz und gar mit goldenem Haar.
In grazilen Bewegungen wickelte das zauberhafte Geschöpf, das Arthur in den Kreis gezogen hatte, ein goldschimmerndes Haar um einen seiner Jackenknöpfe.
Josie zuckte zusammen. Ein Feenhaar band einen Sterblichen für immer und ewig. Panik wirbelte in ihr hoch.
»ARTHUR!« Aus Leibeskräften brüllte sie seinen Namen. Wieder und wieder.
Aber der Junge reagierte nicht. Er schien weit entfernt zu sein. Sein sonst so heller, intelligenter Blick war einem dumpfen Ausdruck gewichen. Ganz offenbar war er nicht Herr seiner Sinne.
»Sie haben ihn verhext!«, flüsterte Josie. »Verdammt, was mach ich jetzt bloß?«
»Du musst es selbst herausfinden«, antwortete Wolf. »Dies wiederum ist Teil deiner Geschichte.«
Die Sidhe umkreisten Arthur mit flatternden Gewändern und wehendem Goldhaar, wobei sie immer wieder denselben Vers sangen.
Im Kreis bei den Linden, wir bannen und binden
Dein Herz ganz und gar mit goldenem Haar.
Von Sekunde zu Sekunde, schien Arthur mehr wegzutreten. Josies Gedanken brodelten, ihre Stirnader pochte. Einer plötzlichen Eingebung folgend, fasste sie in die Jeanstasche und steckte den Mittelfinger in Rosalindes Fingerhut. Einen Augenblick später trug sie ein Feengewand, das sich in nichts von dem der Tänzerinnen unterschied. Und ehe Wolf mit mehr als einem bewundernden Blick sein Erstaunen kundtun konnte, hatte Josie sich schon unter die Tänzerinnen gemischt.
Mit dem Betreten des Kreises überflutete sie ein unbeschreibliches Gefühl. Für einen Moment verschmolz sie mit dem Reigen. Es war ihr unmöglich, sich der zauberhaften Melodie, den synchronen Bewegungen der Sidhoir zu entziehen. Fast hätte sie vergessen, weshalb sie in den Kreis eingedrungen war, hätte sie nicht ein schauerliches Jaulen aufgerüttelt. Josie kam für einen Moment zu sich.
»Arthur!«, raunte sie dem Jungen in der Mitte des Reigens zu.
Arthur aber schien sie überhaupt nicht wahrzunehmen. Er tanzte wie eine Marionette, wobei er ganz ohne Wimpernschlag in die strahlenden Jadeaugen seiner Tänzerin glotzte. Dann fühlte Josie, wie die Macht des Reigens auch über sie wieder mehr und mehr Gewalt errang. Mit jeder Drehung wich ihre Willenskraft einem wohligen Gefühl verträumter Harmonie, dem sie sich nur zu gern hingegeben hätte, als etwas um ihren Kopf flatterte. Sie hob schon die Hand, um die vermeintliche Motte wegzujagen, da wisperte ihr das Flügelding zu: »Die Drachenfibel wird Euch zeigen, dass Euch ist Magie zu eigen.«
Josie erwachte augenblicklich aus ihrer Trance. Die Fibel! Natürlich! Hatte sie sich denn immer noch nicht an den Gedanken gewöhnt, dass sie ja selbst über Magie verfügte. Wie dusslig war sie eigentlich?
Hastig zog sie das Seidenband hervor und umschloss das magische Schmuckstück mit der Hand. Unversehens erwärmte es sich, hüllte Josie in einen purpurnen Schein und begann, Funken zu sprühen. Augenblicklich fühlte sie sich hellwach und Herr der Lage.
Aus der Mitte des Kreises bis zu dessen Rand waren es vielleicht fünf Meter. Alles musste schnell gehen. Arthur würde kaum freiwillig mitkommen. Sie atmete tief durch, wirbelte auf ihren Gefährten zu, riss mit einem energischen Ruck den Knopf ab, um den die Sidhe das
Weitere Kostenlose Bücher